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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
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kommst du denn her?«, fragte Cara, so als wäre sie die Mutter und Frau Fliedner das Kind.
    »Hast du meine Nachricht nicht gelesen? Ich hab dir doch einen Zettel geschrieben. Ich war mit Tanja in der Stadt. Wir waren im Kino und danach haben wir Sekt getrunken. Nur ein Gläschen.« Frau Fliedner verdrehte die Augen. »Ich bin ganz bedudelt. Ich bin ja nichts mehr gewöhnt.« Sie starrte Vitali an. Wer ist das denn, fragte ihr Blick.
    »Das ist Vitali. Mein Kollege«, sagte Cara. »Wir gehen noch ein bisschen aus.«
    »Das ist schön.« Ihre Mutter hickste vor Überraschung. Kicherte dann und musste noch einmal rülpsen. »Du liebe Zeit«, sagte sie betreten. »Verzeihung.«
    »Bis später«, sagte Cara.
    »Viel Spaß euch. Und treibt es nicht zu doll.« Sie winkte fröhlich, dann klingelte ihr Handy und sie wühlte in ihrer Handtasche.
    Viel Spaß euch. Das wäre schön, dachte Cara.
    Vitali fuhr, Cara saß auf dem Beifahrersitz und hatte den Kopf gegen die Fensterscheibe gelehnt. Häuser, Bäume, Bushaltestellen, Schaufenster, Straßenschilder, Ampeln flogen an ihnen vorüber. Es war kurz vor zehn und immer noch hell.
    Cara genoss es, neben Vitali durch die helle Nacht zu fahren. Sie wünschte sich, dass sie immer weiterfahren würden. Sie hätte gerne ihre Gedanken angehalten. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was Ula ihr gleich erzählen würde, aber es ließ sich nicht verhindern.
    Ula Engel hatte Helena gesehen, in jener Nacht, in der Tom gestorben ist. Das hatte Ula bei Caras erstem Besuch erzählt und das hatte sie auch der Polizei gegenüber ausgesagt. Aber das war noch nicht alles.
    Ula hatte noch mehr gesehen. Und aus irgendeinem Grund verschwiegen.
    Bis jetzt. Aber vorhin, als Vitali mit ihr gesprochen hatte, hatte sie es ihm erzählt. Und Vitali fuhr mit Cara zu Ula, damit Cara es aus ihrem Munde erfuhr.
    Und nicht aus seinem.
    Warum willst du es mir nicht sagen?, fragte sich Cara.
    Weil es zu schrecklich war, um es auszusprechen. Weil es mit Helena zu tun hatte. Helena, die nach der Party bei Tom gewesen war und ihn umgebracht hatte. Und Ula hatte sie dabei beobachtet.
    »Ich glaube dieser Frau kein Wort«, sagte Cara laut. »Und du solltest ihr auch nicht glauben. Sie hat Tom gehasst. Das hat sie mir selbst gesagt.«
    Vitali antwortete nicht. Er starrte angestrengt nach vorn auf die Straße, als habe er sie nicht gehört. Seine Kiefer mahlten, als ob er auf seinen Gedanken herumkaute.
    »Vielleicht war sie ja selbst scharf auf ihn«, fuhr Cara fort. »Und hat ihn umgebracht, weil er sie nicht zur Kenntnis genommen hat. Und nun will sie es Helena in die Schuhe schieben.« Das war eine mögliche Erklärung. Sie wunderte sich, dass sie nicht schon früher darauf gekommen war.
    An diesem Gedanken hielt sie sich den Rest der Fahrt fest. Dass alles, was ihr Ula Engel gleich erzählen würde, nur ihrer Verliebtheit und ihrer Eifersucht auf Helena zuzuschreiben wäre. Sie musste das nicht glauben. Helena war unschuldig.
    Auf der Treppe zum zweiten Stock ging das Licht aus, genau wie beim ersten Mal. Aber diesmal war Vitali bei Cara und schaltete es wieder an. Und hielt Cara fest, denn nun begann ihr Herz zu rasen und ihr wurde schwindlig vor Angst, sie konnte keinen Schritt mehr weitergehen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass sie nicht allein waren. Dass jemand sie beobachtete, dass jemand sie erwartete. Es war der Verfolger aus ihrem Traum.
    »Ich will wieder nach Hause«, flüsterte sie. »Bring mich heim.«
    »Nein«, sagte Vitali. »Das geht nicht, Cara.«
    Er drängte sie nicht zum Weitergehen, er hielt sie einfach nur fest und wartete, dass ihre Panik vorüberging. Aber diesmal ging sie nicht vorüber. Diesmal wurde es immer schlimmer. Mit jedem Atemzug wuchs ihre Gewissheit, dass sie hier und jetzt sterben würde. Du musst den Notarzt rufen, wollte sie Vitali zurufen, ich muss ins Krankenhaus, schnell, aber sie brachte keinen Ton heraus. Und Vitali verstand nicht, wie schlimm es um sie stand, wie ernst die Lage war, er massierte nur ihre Schultern und streichelte ihren Rücken. Und murmelte: »Ruhig, Cara.«
    Und auf einmal stand da Ula Engel auf der Treppe und sah sie an. Cara hatte sie nicht kommen hören, vielleicht war sie ja aus ihrer Wohnung ins Treppenhaus geschwebt. Ihre Locken umwucherten ihren Kopf wie Rauschgold und zu allem Überfluss trug sie heute auch noch ein bodenlanges helles Kleid.
    »Sie müssen keine Angst haben«, sagte Ula.
    Fürchte dich nicht, sagte der Engel in der

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