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In Hadam wartet der Henker

In Hadam wartet der Henker

Titel: In Hadam wartet der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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große Gruppe erwartete ihn am Fuß der Treppe. Sie bestand aus einigen Dutzend Frauen in jedem Alter. Zwischen ihnen standen mit verlegenen Gesichtern einige Söldner, die unfreiwillig nach Logghard verschleppt worden waren. Luxon hielt an, sah sich um und wußte, mit welchen Worten ihn die Loggharder ansprechen würden.
    »Ihr wollt zurück nach Morautan, nach Anola oder nach Gorounor, nicht wahr? Zurück zu eurem Volk? Ist es so?« fragte er. Die Männer nickten schweigend, die Frauen und die Jungen riefen durcheinander und schauten Luxon bittend an.
    »Ja, wir wollen fort von Logghard«, meinte eine ältere Frau mit einer Brandwunde am Handgelenk.
    »Ich halte niemanden«, sagte der neue Shallad bedächtig. »Jeder, der davonziehen will, soll sich aus den Vorräten der Stadt ausrüsten und gehen. Aber seid vorsichtig, denn die Vogelreiter Hadamurs sind überall!«
    »Das ahnen wir, Luxon. Aber wir danken dir, daß du uns gehen läßt.«
    »Ihr könnt entlang eures Weges jedermann sagen, daß ich, Luxon, entschlossen bin, Hadamur vom Thron zu stürzen!« antwortete er. »Jeder soll es wissen. Überall in den Grenzen des Shalladad.«
    »Jeder, der Logghard verläßt, erzählt es überall entlang der Straße der Elemente!« erwiderte ein narbiger, weißhaariger Kämpe.
    »So soll es bleiben, bis ich auf dem Thron sitze«, rief Luxon. »Ich werde das Shalladad zu einem Reich des Friedens und der Freiheit machen.«
    Er winkte den Mitgliedern der abschiednehmenden Gruppe zu und ging schnell weiter. Er wurde überall gebraucht. An allen Stellen zwischen den Wällen wurde er um Rat gefragt, sollte Entscheidungen fällen, mußte die Fragen zahlloser Loggharder beantworten und sah immer wieder, wie sich der Charakter der riesigen, hart geprüften Stadt zu verändern begann. Trotz aller Freude darüber wußte Luxon, daß der Kampf um den Thron der zweite Teil der großen Schlacht sein würde.
    Als er unweit des Yarl-Tores die silberne Rüstung Gamheds sah, eilte er auf den Kommandanten zu. Gamhed schaute einer kleinen Karawane nach, die an den Trümmern der Windharfen vorbei die Stadt verließ.
    »Fürchtest du nicht, daß alle unseren Krieger Logghard verlassen werden?« begrüßte ihn der hochgewachsene Mann in der feingearbeiteten Rüstung. Luxon schüttelte den Kopf und wies auf einige Lasttiere und ein Dutzend heiter wirkender Männer und Frauen.
    »Keine Sorge, Freund. Ich lasse sie gern ziehen, denn sie würden uns wenig helfen. Die meisten, wie du sehen kannst, sind Frauen und alte Männer, Verwundete und Erschöpfte. Man hat sie hierher gezwungen. Sollen sie in ihrer Heimat glücklich werden.«
    »Falls sie ihr Land erreichen, ohne von Hadamurs Soldaten belästigt zu werden«, schloß der Silberne und sah zu, wie Arbeiter die Stangen und Bohlen davonschleppten, nachdem sie die zerbrochenen Windharfen zersägt hatten.
    »Du befürchtest es?« fragte Luxon.
    »Denke selbst nach – was ist wahrscheinlicher als eine neue Teufelei des Mannes, der deinen Vater getötet hat?« entgegnete der Dunkelhäutige grimmig.
    »Wir werden es wohl erleben«, meinte Luxon. »Ich bin im Palast zu finden.«
    Gamhed kontrollierte ebenso wie Luxon unermüdlich den Aufbau und die Reparaturen der neuen Residenz des Rhiad-Sohnes. Luxon eilte davon, durch die Gassen, die zunehmend sauberer wurden, vorbei an den verschachtelten Bauwerken der Mauern und Wälle, und buchstäblich an jeder Stelle wurde er freudig begrüßt.
    In einem Seitenflügel des leerstehenden Palasts hatte Luxon sein Lager aufgeschlagen. Jeder wußte, wo er zu finden war. Hier fühlte er sich sicher, obwohl ihn jeder Einrichtungsgegenstand ebenso an seinen Vater Rhiad erinnerte wie an sein Ziel, den verhaßten Shallad zu stürzen.
    Luxon schnallte das Schwert ab, löste die Riemen der Rüstung und stellte den Helm auf einen der Tische.
    Jemand pochte mit dem Knauf eines Dolches an die Tür.
    »Sie ist offen!« rief Luxon, warf sich in einen Sessel, über dem staubige Felle lagen und blickte zwischen zwei halb zersplitterten Steinsäulen hinaus in die Bucht ohne Wiederkehr.
    Der Mann, der hereinkam, war schmal, sehnig und bewegte sich mit der Schnelligkeit eines Wiesels.
    »Sirk? Was führt dich her?«
    In der Bucht segelten kleine Fischerboote. Die Fischer schöpften ununterbrochen Wasser aus den Booten. Ein neuer Beweis dafür, daß über lange Jahre hinweg die Boote niemals im Wasser gewesen und ihre Planken ausgedorrt und die Spalten dazwischen viel zu breit waren.

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