In Hadam wartet der Henker
– wie eine Puppe, wie ein Mann, der von einem Dämon besessen und nicht Herr seiner Sinne war. Er sprang mit einem schnellen Satz vor den Block und rief:
»Ich will Bekenntnis ablegen, vor euch allen.«
Er sprach ganz anders als sonst. Hrobon senkte die Schultern und schüttelte verwundert den Kopf. Er blickte Luxon starr an. Ohne Zweifel war es Luxon. Hrobon kannte ihn genau; es war der Mann, der an seiner Seite in Logghard gekämpft hatte.
»Damit mein Geist nicht den Dämonen anheimfällt, muß ich folgendes sagen: ich habe mich widerrechtlich als Sohn des Shallad Rhiad bezeichnet. Ich bin nicht sein Sohn.«
Samed flüsterte aufgeregt:
»Er sieht so aus… aber es kann nicht Luxon sein. Niemals würde Luxon so etwas sagen!«
»Still!« murmelte Hrobon. »Du hast recht, Samed.«
Auch auf dem Gesicht Hodjafs zeichnete sich jetzt grenzenlose Überraschung ab. Der Shallad grinste in sich hinein. Er schien mit der Wendung der Dinge sehr zufrieden zu sein. Luxon sprach stockend und unfrei weiter. Seine Stimme klang gepreßt und verändert. Sie hatte, obwohl er laut redete, jede Kraft verloren.
»Ich bin also nicht der rechtmäßige Erbe für den Thron des Shallad. Lang lebe er, der wahre Shallad Hadamur.«
Seelenlos senkte er, nachdem er wieder hinter den Richtblock getreten war, den Oberkörper. Freiwillig legte er den Kopf auf den Richtblock. Hrobon und die Männer des Rebellen verständigten sich, das Zeichen, das Hrobon gab, lautete:
Unternehmt nichts! Das ist nicht Luxon!
Der Scharfrichter hob das funkelnde Beil hoch über seinen Kopf. Das Sonnenlicht erzeugte einen gleißenden Funken auf der geschliffenen Schneide. Erstarrt und hilflos vor Schrecken starrte Hodjaf auf dieses Bild.
Das Beil zuckte herunter. Luxons Kopf rollte zu Boden. Die Menge schrie im selben Moment, an dem der Stahl dumpf krachend in das Holz fuhr, in einem langgezogenen Stöhnen auf. Beide Geräusche vermischten sich. Die Wachen zerrten den bewegungslosen Körper vom Richtblock.
Dutzende erstaunter Blicke trafen Hrobon.
Er schüttelte noch einmal den Kopf und stieß hervor:
»Nein!«
Freiwillig hatte Luxon seinen Kopf auf den Richtblock gelegt! Das konnte nicht der wahre Luxon sein! Was war geschehen? Das Werk der Dämonen?
Die folgenden Geschehnisse liefen mit rasender Schnelligkeit ab. Die Wachen packten Hodjaf, der sich zuerst nicht wehrte, dann aber wild um sich schlug. Sie zwangen seinen Kopf auf den Block.
Wieder zuckte das blutige Beil herunter und trennte Hodjafs Kopf von seinem Hals. Wieder schrie die Menge auf.
Hodjafs Männer senkten die Köpfe, schwiegen und ließen ihre Waffen los.
Hrobon blickte hinüber zum Baldachin, der sich über dem Thronsessel Hadamurs spannte. Der Shallad beugte sich unmerklich zum Gesandten aus Ay hinüber und fragte:
»Sind nunmehr alle deine Zweifel beseitigt, Yavus?«
Der Pakt zwischen Achar, dem Rächer, und ihm selbst war in einem Punkt erfüllt worden. Eine ungeheure Last war vom Shallad gewichen. Er wartete darauf, daß sich Achar einstellen würde, um seinen Tribut zu fordern.
»Ich habe keinerlei Zweifel mehr. Du bist und bleibst der einzige Shallad. Aber du selbst kennst die Gerüchte und ihre Wirkung auf unkritische Gemüter.«
»Also steht einer Verbindung unserer beiden Häuser nichts mehr im Weg, wie?« wollte Hadamur wissen.
»Ich werde zu meinem König Andraiuk zurückkehren und alle Formalitäten in die Wege zu leiten wissen.«
Inzwischen war zu erfahren gewesen, daß von den vielen Töchtern des Shallad – niemand schien ihre wirkliche Zahl zu kennen – nur siebenundzwanzig im Palast zu Hadam lebten. Alle anderen waren mit Landesherren und Stammesfürsten im Bereich des Shalladad vermählt worden.
»Die Menge verläuft sich. Sie hat ihr Schauspiel gehabt!« sagte Hadamur und gab seinen Wächtern einen Wink. Sie scheuchten die Trägersklaven auf, die den Thron hochwuchteten und davonschleppten.
Hrobon sagte leise zu Samed:
»Gehe zurück zu Gamhed und sage ihm, was du gesehen hast. Sage ihm aber auch, daß ich deshalb nicht eingegriffen habe, weil ich weiß, daß Luxon lebt. Der Mann, dessen Kopf rollte, war nicht Luxon.
Sage ihm das!«
Samed starrte Hrobon mit einem langen Blick an. Dann senkte er den Kopf und rannte blitzschnell davon, zwischen den Beinen der Hadamer hindurch, die sich langsam zerstreuten.
Hrobon ging mit schleppenden Schritten auf den Brunnen zu, setzte sich auf den nassen Stein der Umrandung und sah, ohne zu denken, zu, wie die
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