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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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ging nie weit und mied die Hytte – es gab genügend Wege und Wildpfade, die zum Strand führten, und die Wiesen waren weitläufig und leer, so dass ich keine Mühe hatte, jemandem auszuweichen; zudem lebten hier nur wenige Menschen. Es heißt, wenn man nach Norden zieht, beginnt man, die Mitmenschen schätzen zu lernen, da man so weit oben nie weiß, wann man einmal auf einen Nachbarn oder Passanten angewiesen ist – und ich denke, das stimmt, doch stimmt auch, dass man andere Menschen besser zu schätzen weiß, wenn man sie nur selten sieht. Die meisten von uns, zumindest die meisten Bewohner dieser Insel, sind gern mit sich allein, und darin sind wir gut. Außerdem schätzen wir bei anderen Menschen ein gewisses Taktgefühl, etwa jenes Gespür, das zwei Wanderer an den Tag legen, die, wenn sie sich zufällig begegnen, mit dieser Situation fertig werden müssen, ohne dass sie sich beleidigen oder sich von der Aussicht, einige Zeit in Gesellschaft des anderen zu verbringen, die Laune vermiesen lassen. Sehe ich in der Ferne einen Wanderer, finde ich meist eine Möglichkeit, von meiner Route abzuweichen, ohne es aussehen zu lassen, als änderte ich absichtlich den Weg, und oftmals verfolgt der Fremde die gleiche Strategie, so dass wir einander auf scheinbar ganz natürliche Weise vermeiden, obwohl wir doch ein höchst komplexes Spiel treiben. Als ich in der darauffolgenden Woche gut drei Kilometer von unserem kleinen Hausstrand entfernt Ryvold am Meer traf, war ich zu abwesend, zu gedankenverloren – vielleicht auch zu verloren darin, eben von jenen Gedanken frei zu sein, die mich so lang geplagt hatten –, dass ich, fast wie damals, als ich Martin Crosbie im Regen traf, beinahe mit ihm zusammenstieß. Was ärgerlich hätte sein können, glaube ich, wäre es jemand anderes gewesen. Ich kannte Ryvold nicht besonders, obwohl er eine distanzierte, eher beiläufige Zuneigung für mich zu hegen schien – ich schätze, das Wort, das hier am besten passt, ist onkelhaft – und sich an jenem Tag ehrlich über unser Zusammentreffen freute. Ob ich mich ebenso freute, hätte ich nicht zu sagen gewusst, aber ich ärgerte mich auch nicht, und aus dem einen oder anderen Grund verpassten wir die entsprechende Gelegenheit, uns nach dem ersten höflichen Wortwechsel zu trennen, so dass wir zusammen weitergingen, redeten, verstummten, dann wieder redeten, wie zwei alte Freunde, die sich zufällig getroffen haben und merken, dass sie sich eigentlich doch ganz wohl miteinander fühlen. Ich denke, wir haben uns damals tatsächlich wohl miteinander gefühlt, und ich war durchaus nicht unglücklich, ihn getroffen zu haben – zugleich aber hatten wir nichts gemein, keine Freunde oder Interessen, keine Erinnerungen. Nichts außer – nach einer Weile – Mutter, und Ryvold war ein zu taktvoller, rücksichtsvoller Mensch, um dem allzu weit nachzugehen.
    Also unterhielten wir uns über Kunst – was natürlich die Möglichkeit bot, über jene eine Person zu reden, die uns beiden nahestand, ohne tatsächlich über sie zu reden. Wie sich herausstellte, kannte Ryvold sich ziemlich gut auf diesem Gebiet aus – möglicherweise war er selbst ein gescheiterter Künstler, was seine Faszination für Mutter erklären mochte –, und sobald er einmal davon anfing, konnte er interessant darüber erzählen. Wie immer war er allerdings ein wenig zu theoretisch, zu abstrakt. Wenn ihm ein Bild gefiel, gefiel es ihm nicht nur; er wollte dann auch alles daran verstehen, wollte es aus jeder nur erdenklichen Perspektive betrachten und es mit allem in seinem Kopf verbinden, mit dem ganzen byzantinischen System seines Wissens und seiner Gedanken. Was hieß, dass er die Dinge komplizierter machte, als gut für sie war. Dennoch bedeutete er für mich an jenem Tag eine Ablenkung, und genau die brauchte ich. Offenbar hatte er vor unserer Begegnung darüber nachgedacht, wie Kunst überhaupt erst entsteht, was für ihn eine ernste Frage war, eine, der er mangels eines anderen gemeinsamen Themas eine Weile mit mir nachging.
    » Leon Battista Alberti meint, Narziss habe die Malerei erfunden«, sagte er, » und fragt: › Was will Malerei denn anderes, als mit Hilfe ihrer Disziplin die Oberfläche jenes Teiches zu umarmen, der unser Bild spiegelt?‹« Wir waren am Ufer stehen geblieben, blickten über den Fjord und mussten wie zwei Sonntagsmaler ausgesehen haben, die ohne Staffelei an den Strand gekommen waren. Ryvold las einen Kiesel auf und versuchte, ihn über das

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