In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
gottverdammtes Leben er führte. Er begriff allmählich gar nichts mehr.
Ein ungeheurer Krach, der von irgendwo aus dem Innern des Hauses kam, zerschmetterte die Stille.
Berlin fühlte, wie Franks Hände ihr Gesicht streiften, als er im Dunkeln nach ihr griff. Sie bewegte sich ständig, ergriff die Kante des Tischs und warf ihn um. Sie hörte die Taschenlampe auf den Boden knallen und spürte, wie Frank taumelte, als der umstürzende Tisch ihn traf. Sie kämpfte gegen seine Umklammerung an, aber sein Griff ließ nicht nach, und er riss ihr eine Handvoll Haare aus, als sie sich befreien wollte.
Er stolperte umher, seine schweren Stiefel verrieten, wo er war. Er wollte zur Tür, zweifellos erwartete er von ihr dasselbe, aber sie wich ihm aus, tastete sich vorwärts, bis ihre Finger die Verdunkelungsdecke berührten. Als er merkte, was sie tat, stürzte er quer durch den Raum auf sie zu und trat den Tisch aus dem Weg.
»Komm her, du Fotze«, knurrte er böse.
Sie spürte seinen übelriechenden, heißen Atem im Nacken, als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an die Decke hängte und sie herabriss.
Einen Augenblick lang waren beide in den dicken, erstickenden Stoff gehüllt. Sie trat zu und benutzte seinen Körper, um sich nach vorn zu stürzen. Das Fenster zersplitterte, und sie fiel hinaus in das sternbeglänzte Nichts.
Frank stieß die Haustür auf und kollidierte beinahe mit Doyle, der hereinwollte. Frank schob ihn aus dem Weg.
»Halt das Miststück auf! Sie weiß alles! Schnapp sie!«, schrie er.
»Was’n das für’n Scheiß?«, keuchte Doyle, als Frank die Treppe hinunter und um das Haus herum rannte. Scheiße, jetzt dreht der Alte echt durch, dachte er, und rannte hinter ihm her.
Als er um die Ecke bog, sah er zu seinem Erstaunen jemanden vom Küchenfenster wegkriechen. Frank war kurz davor, denjenigen einzuholen. Die Gestalt war im Schatten, und Doyle konnte sie nicht erkennen, als sie sich torkelnd aufrichtete und über den Kies stolperte, der jetzt vom Schnee verdeckt war.
Plötzlich wurde alles hell, und Doyle war geblendet. Frank musste einen Bewegungsmelder bei der Außenbeleuchtung montiert haben. Doyle blinzelte. Als er wieder sehen konnte, erkannte er diese Berlin, wie sie über eine Wiese flüchtete, deren glitzernde Halmspitzen kerzengerade über dem Schnee aufragten. Frank stand am Rand und beobachtete sie.
Doyle rannte zu ihm.
»Was zum Teufel geht hier ab, Frank?«
»Keine Angst, sie kommt nicht weit«, erwiderte Frank, plötzlich ganz friedlich, während er Berlins stolperndes Vorankommen aufmerksam verfolgte.
Berlin blieb stehen und sah zu ihnen zurück. Doyle konnte erkennen, wie sie ihre Chancen abwog. Die Mauer war für sie zu hoch zum Überklettern, und obwohl sich das Tor nur fünfzig Meter rechts von ihr befand, konnten sie ihr den Weg abschneiden, wenn sie sich beeilten.
»Er hat sie umgebracht, Doyle.« Ihre Stimme drang durch die stille Nacht. »Frank hat Nancy und Gina ermordet. Ihre Frau und Ihre Tochter.«
Die Stille wurde durch Franks wütendes Aufheulen zerrissen. Frank hatte Doyle gesagt, er sollte Berlin aufhalten, weil sie alles wüsste. Doyle begriff, dass das die Wahrheit war. Er rang nach Atem, gelähmt von Entsetzen.
Frank durchbrach den Bann. Er hielt auf Berlin zu, und sie floh.
Berlin rannte auf die Mauer zu, die sie nicht erklimmen konnte: die Mauer aus ihren Albträumen. Die Risse darin schlossen sich jetzt und zerquetschten ihren Vater, der verzweifelt versuchte, Berlin zu erreichen, und nicht mehr flüsterte, sondern schrie, sie solle wegrennen.
Im nächsten Moment schlug sie nach vorn auf. Ein Feuerring biss ihr in den Knöchel, und sie knallte auf die Erde. Zackenzähne rissen an ihrem Gesicht.
Höllenqual löschte die Zeit aus.
Sie lag unter einem Meer von hohen, starren Disteln auf einer vereisten Tundra. Der schwarze Himmel blutete scharfe, stumme Kristalle, die die angeschwollene Haut rund um die Zähne des Tellereisens durchbohrten. In einem unnatürlichen Winkel umklammerte es die eine Wange und den Kiefer darunter und quetschte ihre Nase flach gegen den Rand der zerschmetterten Augenhöhle.
Ihre Kehle füllte sich mit dem Blut der fast völlig abgetrennten Zunge. Sie konnte den Mund nicht öffnen, um ihre zusammengebissenen Zähne zu befreien. Sie versuchte zu schlucken, und ihr war, als habe sie eine Schandmaske um den Kopf, und der eiserne Maulkorb wäre voll eiserner Stacheln.
Über sich hörte sie Knöchel knacken, Knochen um Knochen,
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