In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
sympathisierende Blicke mit Doyle zu wechseln, der bei Eiern auf Toast und einer Riesenportion Würstchen reinhaute. Sie humpelte über die Straße und betrat mit eingezogenem Kopf das Shakespeare , wo der Wirt gerade die Gläser polierte.
»Was zum Augenöffnen?«, erkundigte er sich.
»Talisker«, sagte Berlin, ohne nachzudenken.
»Wie bitte?«
»Scotch. Was immer Sie dahaben. Einen doppelten, bitte.«
Sie nahm ihren Drink mit zu einem Fensterplatz mit Blick auf das Pellicci’s und machte es sich bequem, während sie darauf wartete, dass Doyle sein Frühstück beendete. Eigentlich hätte sie DCI Thompson anrufen und ihm Doyles Aufenthaltsort mitteilen müssen. Aber nachdem sie bei der ersten Fallkonferenz so mies behandelt worden war, hatte sie keine Lust, ihm einen Gefallen zu tun. Sie würden sie nicht zum Stand ihrer Ermittlungen auf dem Laufenden halten – warum sollte sie ihnen dann mitteilen, was sie wusste? Scheiß auf alle.
Sie nippte an ihrem Scotch und wartete.
Sirenengeheul war in Bethnal Green nichts Besonderes, aber als ein Streifenwagen und ein Zivilfahrzeug vor dem Pellicci’s hielten, blieb die Hälfte der Anwohner stehen, um zu gaffen, während die andere Hälfte verduftete. Berlin fiel auf, dass die chinesischen DVD -Schwarzhändler die Ersten waren, die verschwanden.
Sie reckte den Kopf, um an dem Bus der Linie acht vorbeizukucken, der angehalten hatte, damit die Fahrgäste sich alles genau anschauen konnten. Uniformierte Beamte forderten die Passanten zum Weitergehen auf, während drei Zivilbeamte den Pub betraten. Wenige Augenblicke später kamen zwei von ihnen mit Doyle im Polizeigriff wieder heraus. Einer war dieser kleine Penner Detective Sergeant Flint, den anderen, einen Schwarzen, kannte sie nicht. Sie stiegen mit Doyle in der Mitte hinten in das Zivilfahrzeug ein.
Wenige Minuten später tauchte DCI Thompson mit einem Schinkenbrötchen in der Hand auf. Er blieb stehen und nickte ein paar Leuten bei den Gaffern zu. Berlin nutzte die Gelegenheit, um den ranghöchsten Ermittler im Fall Juliet Bravo zu taxieren.
Ende Fünfzig, auf Socken etwa 1,75 Meter, die – so wie er aussah – garantiert Löcher hatten. Thompson war wahrscheinlich bei der Polizei eingetreten, als das noch die Mindestgröße für Anwärter war. Die gesetzliche Mindestgröße war tatsächlich bis zu den Neunzigern 1,70 Meter gewesen, dann war all das abgeschafft worden. Davor hatten alle Sicherheitskräfte ihre eigenen Mindestmaße gehabt. Yorkshire war dafür berüchtigt gewesen, dass man dort nur Männer ab 1,80 Meter mit einem kräftigen rechten Haken akzeptierte.
Flint war um einiges kleiner als Thompson. Einer mit Napoleonkomplex, dachte sie, und dann wurde ihr klar, dass sie dieses Vorurteil von ihrer Mutter übernommen hatte. »Kleine Männer haben ein gefährliches Ego«, hatte sie immer getönt. Berlins Vater war nicht groß gewesen.
Thompson schien es nicht besonders eilig zu haben. Er stand kauend auf dem Gehweg und glotzte über die Straße zum Pub herüber. Er konnte sie nicht erkennen, aber er sah die Konturen eines Beobachters. Sie fragte sich, ob er das Pellicci’s hatte überwachen lassen und ob ihm ein Bericht vorlag, dass sie hinein- und wieder hinausgegangen war. Hervorragender Instinkt. Ein Mann im Gleichklang mit dem Polizeibezirk. Er schluckte den letzten Bissen runter, wischte sich Mund und Finger mit einem großen, schneeweißen Taschentuch ab und stieg dann vorn in das wartende Auto ein.
Mit Sirenengeheul fuhr es davon. Zweifellos war das Flints Beitrag, mit der er eine Show für die Anwohner abzog. Berlin wartete, bis der Streifenwagen ebenfalls weggefahren war, dann trank sie aus und verließ den Pub.
Sobald Thompson Doyle zum Revier gebracht hatte, wurde die Zeit knapp. Hatten sie genug Beweise für eine Anklage? Auf dem Heimweg stellte sie sich verschiedene Szenarien vor.
Der aufsichtführende Beamte würde die Verhaftung genehmigen, damit sie Doyle verhören konnten; aber das würde von Stunde zu Stunde schwieriger zu begründen sein, besonders wenn sein Anwalt aufkreuzte und ihn anwies, keine Fragen zu beantworten. Sie bezweifelte aber, dass Doyle einen Rechtsbeistand verlangen würde. Dazu musste man zu viele Anträge ausfüllen. Wenn er sich entschied, alles mit »Kein Kommentar« zu beantworten, konnte der Fall abgewürgt werden, bevor er begonnen hatte – es sei denn, die Spurensicherung hatte irgendwas gefunden.
Wie konnte sie herausfinden, welche Beweise gegen ihn
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