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In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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von einem Zentimeter.
    »…  so dicht davor, ihn vollständig zusammenbrechen zu lassen. Aber dann ist irgend etwas passiert, ich weiß nicht, jedenfalls …«
    Langsam ließ er sich wieder in seinen Sessel sinken.
    »Auf irgendeine Weise hat er sich wieder in den Griff bekommen. Ich weiß nicht, wie oder warum. Ich weiß nur, daß er sich auf eine Weise verhalten hat, die … Verdammt noch mal, Sigmund! Du … Von allen Kollegen hier im Haus müßtest gerade du Vertrauen zu meinem Instinkt haben! Das Kind ist da oben! Karsten Åsli hält Emilie gefangen, und wir schwirren mit Hubschraubern und weiß Gott wie vielen Leuten und Autos durch die Gegend und suchen einen schwachsinnigen Trottel auf Waldwanderung!«
    Sigmund lächelte, fast verlegen.
    »Aber sicher bist du dir nicht«, sagte er. »Das mußt du immerhin zugeben. Du kannst nicht ganz sicher sein. Das kannst du nicht.«
    »Nein«, sagte Yngvar endlich. »Ganz sicher kann ich natürlich nicht sein. Aber geh der Sache mit dem Sohn nach. Bitte.«
    Sigmund nickte kurz, dann ging er. Die Zigarre ließ er liegen. Yngvar nahm sie und musterte sie lange. Dann warf er sie in den Papierkorb, wobei ihm einfiel, daß er den Klempner aus Lillestrøm anrufen mußte. Es gab keinen Grund, Cato Sylling mit einer unnötigen Reise nach Oslo zu belasten.
    Turid Sande Oksøy hatte sich noch nicht gemeldet. Obwohl er dreimal angerufen und auf ihren Anrufbeantworter gesprochen hatte.

60
    Aksel Seier saß im Theatercafé und betrachtete das kunstfertige Butterbrot, das der Kellner vor ihm auf den Tisch gestellt hatte. Er hatte total vergessen, daß Brote in Norwegen nie von einer zweiten Brotscheibe bedeckt waren, und er fragte sich, wie er es essen sollte. Verstohlen schaute er sich um. Eine ältere Frau am Nachbartisch aß mit Messer und Gabel, obwohl ihr Brot längst nicht so üppig belegt war wie seins. Zögernd griff er zum Besteck. Die Tomate fiel auf den Teller. Vorsichtig zog er das Salatblatt unter der Leberpastete hervor. Aksel Seier mochte keinen Salat. Aber der Rest schmeckte gut. Das Bier auch. Er trank begierig und bestellte gleich noch eins.
    »Mit Vergnügen«, sagte der Kellner.
    Aksel Seier versuchte sich zu entspannen. Er faßte an seine Brusttasche. Zweimal hatte er seine Kreditkarte bisher benutzt. Das ging wunderbar. Er hatte in seinem Leben noch nie eine Kreditkarte besessen. Cheryl von der Bank hatte darauf bestanden. VISA und American Express. Dann könne ihm nichts mehr passieren, meinte sie. Und sicher wußte sie, wovon sie sprach. Die VISA -Karte war silberfarben. Platin, hatte Cheryl geflüstert. You’re rich, you know! Eigentlich dauerte es über eine Woche, eine solche Karte zu besorgen, aber sie hatte es innerhalb von weniger als zwei Tagen geschafft.
    Alles war so schnell gegangen.
    Ihm war schwindlig. Aber er hatte auch seit anderthalb Tagen nicht mehr geschlafen. Der Flug war glatt verlaufen, aber im Motorenlärm hatte er nicht schlafen können. In Keflavik hatte er zuerst geglaubt, bereits am Ziel zu sein. Als er sich auf die Suche nach seinem Gepäck machte, hatte eine freundliche Frau in Uniform ihn zum Schalter für den Weiterflug gebracht. Er schaute auf die Armbanduhr, die Mrs.   Davis in Hyannis für ihn ausgesucht hatte. Langsam zählte er sechs Stunden zurück. In Cape Cod war es jetzt neun Uhr morgens. Die Sonne stand hoch über dem Sund vor Nantucket Island, und es war Ebbe. Bei gutem Wetter war vor dem Südwesthimmel Monomoy zu erkennen. Ein guter Tag zum Fischen. Vielleicht war Matt Delaware schon mit dem Boot hinausgefahren.
    »Darf’s noch etwas sein?«
    Aksel schüttelte den Kopf. Er tastete nach seiner Kreditkarte, doch als er endlich seine Brieftasche hervorgezogen hatte, war der Kellner verschwunden. Er würde sich schon wieder einstellen.
    Er mußte versuchen, sich zu entspannen.
    Niemand starrte ihn an. Niemand erkannte ihn.
    Davor hatte er sich am meisten gefürchtet. Daß jemand begreifen könnte, wer er war. Als er in Gardermoen gelandet war, hatte er alles bereut. Am liebsten wäre er mit dem nächsten Flugzeug zurückgeflogen. Um den Handel rückgängig zu machen. Um wieder nach Hause zu ziehen, um sich Boot, Katze und Glassoldaten zurückzuholen. Alles könnte wieder so sein wie vorher. Eigentlich hatte er es doch gut gehabt. Er hatte sich auf jeden Fall sicher gefühlt, vor allem, nachdem in einer Märznacht des Jahres 1993 die Alpträume verschwunden waren.
    Norwegen hatte sich verändert.
    Und die Leute redeten

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