Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
der Gegend‹ waren, trifft doch nicht so ganz zu, nehme ich an.«
    »Es geht um unseren Fall.«
    »Die Fälle.«
    Er lächelte.
    »Korrekt. Um die Fälle. Da haben Sie recht. Jedenfalls … ich habe das Gefühl, daß Sie mir helfen können. Ganz einfach. Fragen Sie mich nicht, warum. Sigmund Berli, ein guter Freund und Kollege, kann nicht begreifen, warum ich Sie so energisch verfolge.«
    Wieder verengten seine Augen sich zu etwas, bei dem es sich einfach um einen Flirt handeln mußte. Inger Johanne gab sich alle Mühe, nicht schon wieder zu erröten. Plätzchen. Sie hatte keine Plätzchen. Kekse. Kristiane hatte die letzten am Vorabend verzehrt.
    »Milch?«
    Sie war schon halb aufgestanden, bevor er mit der rechten Hand abwinken konnte.
    »Sehen Sie mal«, sagte er dann und zog einen Stapel Fotos aus dem Briefumschlag auf dem Couchtisch. »Das ist Emilie Selbu.«
    Das Bild zeigte ein hübsches kleines Mädchen mit einem Kranz aus Huflattich in den Haaren. Sie war tiefernst, ihre dunkelblauen Augen sahen fast traurig aus. Ein Grübchen zeichnete sich in dem schmalen Kinn ab. Der Mund war klein, die Lippen jedoch voll.
    »Dieses Bild ist ganz neu, es ist erst drei Wochen alt. Reizendes Kind, nicht wahr?«
    »Das ist das Kind, das noch nicht gefunden worden ist?«
    Sie räusperte sich, ihre Stimme wollte ihr nicht gehorchen.
    »Ja. Und das ist Kim.«
    Inger Johanne hielt sich das Foto vor die Augen. Sie hatte es auch schon im Fernsehen gesehen. Der Junge umklammerte ein rotes Feuerwehrauto. Rotes Feuerwehrauto. Sulamit. Sie ließ das Bild fallen und mußte es vom Boden aufheben, ehe sie es Yngvar Stubø hinschieben konnte.
    »Da Emilie noch immer verschwunden ist, während Kim … wieso glauben Sie, daß es sich um denselben Täter handelt?«
    »Das wüßte ich auch gern.«
    Es gab noch andere Fotos. Für einen Moment hatte sie den Eindruck, daß er ihr alle zeigen wollte. Dann überlegte er sich die Sache offenbar anders und steckte den Rest wieder in den Umschlag. Die Bilder von Kim und Emilie lagen noch immer auf dem Tisch, nebeneinander, und beide Kinder schienen Inger Johanne anzuschauen.
    »Emilie wurde an einem Donnerstag entführt«, sagte er langsam. »Am hellichten Tag. Kim verschwand in der Nacht zum Mittwoch. Emilie ist neun Jahre alt und ein Mädchen. Kim war ein fünf Jahre alter Junge. Emilie wohnt in Asker. Kim in Bærum. Kims Eltern sind von Beruf Krankenschwester und Klempner. Emilies Mutter ist tot, ihr Vater ist Philologe und lebt vom Übersetzen. Er und Kims Eltern kennen sich nicht. Wir haben mit der Lupe nach Berührungspunkten zwischen den Familien gesucht. Ohne mehr zu finden, als daß sowohl Emilies Vater wie auch Kims Mutter zu Anfang der neunziger Jahre vorübergehend in Bergen gewohnt haben. Aber auch damals haben sie sich nicht gekannt. Alles in allem …«
    »Seltsam«, sagte Inger Johanne.
    »Ja. Oder tragisch. Je nachdem, wie Sie es sehen wollen.«
    Sie versuchte, den Bildern der Kinder auszuweichen. Beide schienen ihr Vorwürfe zu machen, weil sie nichts mit ihnen zu tun haben wollte.
    »In Norwegen gibt es immer irgendeine Verbindung zwischen den Menschen«, sagte sie. »Erst recht, wenn sie so nah beieinander wohnen wie in Bærum und Asker. Das wissen Sie doch sicher selbst. Wenn Sie sich hinsetzen und mit jemandem reden, meine ich. Daß dann fast immer irgendwelche gemeinsamen Bekannten erwähnt werden, ein alter Freund, ein Arbeitgeber, für den beide tätig waren, ein Erlebnis. Nicht wahr?«
    »Doch …«
    Er zögerte mit der Antwort. Dieses Thema schien ihn nicht zu interessieren. Dann schnappte er nach Luft, wie um zu protestieren, riß sich dann aber zusammen.
    »Ich brauche jemanden, der ein Täterprofil erstellt«, sagte er. »Einen profiler. «
    Seine englische Aussprache war breit, wie in einer amerikanischen Fernsehserie.
    »Kaum«, sagte Inger Johanne schroff, das Gespräch lief jetzt auf etwas hinaus, über das sie nicht sprechen wollte. »Wenn Sie von so jemandem profitieren wollen, brauchen Sie mehr Fälle, als Sie hier haben. Falls es denn wirklich um ein und denselben Täter geht.«
    »Gott behüte«, sagte Yngvar Stubø. »Daß es noch mehr Fälle gibt, meine ich.«
    »Da stimme ich Ihnen natürlich zu. Aber wenn wir von diesen beiden Fällen ausgehen, dann können wir einfach noch keine Schlußfolgerungen ziehen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Jetzt flirtete er nicht mehr.
    »Elementare Logik«, sagte sie schroff. »Es liegt doch auf der Hand, daß … Das Profil

Weitere Kostenlose Bücher