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In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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häufiger?«
    »Nein, nein, nein … so habe ich das nicht gemeint.«
    »Wie haben Sie es dann gemeint?«
    »Hören Sie«, sagte der Fahrer.
    »Ich höre die ganze Zeit.«
    »Na gut, ich nehme ab und zu mal einen Auftrag so nebenbei an. Das ist doch nichts Besonderes. Alle …«
    »Nein. Nicht alle. Die meisten Kurierfirmen sind so organisiert, daß die Fahrer als selbständige Geschäftsleute arbeiten. BigBil dagegen nicht. Bei denen sind Sie angestellt. Wenn Sie Schwarzfahrten unternehmen, dann betrügen Sie BigBil. Und mich. Die Gemeinschaft, wenn Sie so wollen.«
    Yngvar Stubø lachte kurz.
    »Aber darauf wollen wir jetzt nicht eingehen. Sie konnten also nicht sehen, von welchem Anschluß aus angerufen wurde?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Wirklich nicht. Ich habe einfach den Anruf entgegengenommen.«
    »Haben Sie nicht darauf reagiert, daß der Mann … es war doch ein Mann?«
    »Ja.«
    »Jung oder alt?«
    »Weiß nicht.«
    »Helle Stimme? Dunkle Stimme? Akzent?«
    »Aber das alles habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich weiß nicht mehr, wie die Stimme geklungen hat. Ich habe nicht weiter darauf geachtet, daß er keinen Namen genannt hat. Ich brauchte das Geld! So einfach ist es. Zweitausend Kronen ganz auf die Schnelle! Ganz einfach.«
    »Hätten Sie nicht das Geld nehmen und das Paket liegenlassen können?«
    Yngvar Stubø hob die Augenbrauen und fuhr sich übers Kinn.
    »Ich …«
    Der Fahrer nieste. Sein Taschentuch war schon triefnaß. Yngvar Stubø wandte sich ab.
    »Ja?«
    »Wenn ich das mache, dann rufen solche Leute nie mehr an. Mit solchen Aufträgen, meine ich.«
    Er war jetzt ziemlich kleinlaut, und seine Stimme klang eher leise.
    »Genau. Sie wissen also, daß ein solcher Auftrag einfach irgendwie lichtscheu sein muß? Sie sehen ein, daß niemand zweitausend Kronen hinblättern würde, nur um ein Paket eine Strecke von drei Kilometern transportieren zu lassen, wenn er das auch ganz offiziell für einen Hunderter erledigt bekommen kann? Mit Ihrer Auffassungsgabe ist also alles in Ordnung?«
    Der Polizist lächelte nicht mehr. Der Fahrer verbarg sein Gesicht im Taschentuch.
    »Was zum Teufel war denn nun in diesem verdammten Paket«, schniefte er. »Was zum Teufel war drin?«
    »Ich glaube, das wollen Sie lieber gar nicht wissen«, sagte Yngvar Stubø. »Sie können gehen. Wir melden uns noch bei Ihnen. Gute Besserung. Das Tuch können Sie behalten. Wiedersehen.«

29
    Sarah verschwand einfach. Emilie erwachte und war allein. Sie hatte schreckliche Kopfschmerzen, und ausnahmsweise war es ganz dunkel im Zimmer. Sicher war Emilie blind geworden. Lange lag sie still da und starrte zur Decke hoch. Riß immer wieder die Augen auf, immer wieder. Es war kein Unterschied zu sehen. Wenn sie es sich genau überlegte, war es vielleicht ein wenig heller, wenn sie die Augen geschlossen hielt. Dann tanzten Punkte vor ihr umher. Wenn sie die Augen ganz fest zukniff, wurden die Punkte zu großen Blasen, rot und blau und grün. Emilie lachte und war blind geworden. Sie wollte noch mehr schlafen. Ihr Kopf tat weh, und sie lächelte. Wollte schlafen. Dann fiel ihr Sarah ein.
    »Sarah«, fragte sie laut. »Wo bist du?«
    Keine Antwort. Niemand lag neben ihr. Schön. Das Bett war eigentlich nicht breit genug für sie beide. Und Sarah war auch nicht gerade nett. Sie prahlte so schrecklich. Prahlte und heulte, die ganze Zeit. Drehte durch, wenn der Mann kam. Schrie und preßte sich an die Wand. Kapierte rein gar nichts. Kapierte nicht, daß der Mann dafür sorgte, daß sie genug Luft hatte. Als Emilie die Tomatensuppe ins Klo geschüttet hatte, damit der Mann nicht traurig war, weil sie nichts essen mochte, hatte Sarah ihm das petzen wollen.
    »Sarah? Sarahsarahsarahsarah!«
    Nein. Sie war nicht da.
    Das Licht kam ihr vor wie eine gewaltige Explosion. Es stürzte sich von der Decke her auf sie. Emilie stöhnte und krümmte sich mit den Armen über dem Kopf zusammen. Das Licht bestand aus Pfeilen, die ihr ins Gesicht stachen, ihre Augen wollten sich in ihrem Kopf verkriechen und nie mehr zum Vorschein kommen.
    »Emilie?«
    Das war der Mann. Sie wollte antworten, konnte aber den Mund nicht aufmachen. Das Licht war zu stark. Das Zimmer war ganz weiß, nur Weiß und Silber und Gold. Ein Funkeln, das ihr die Haut zerschnitt.
    »Emilie, schläfst du?«
    »Nsneiffsh …«
    »Ich dachte, du hättest es gern mal ein bißchen dunkel. Du hast sehr tief geschlafen.«
    Seine Stimme war nicht neben dem Bett. Sie stand in der

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