In kalter Absicht
können überhaupt nicht verreisen, ohne jede Menge Spuren zu hinterlassen.«
Er legte die Bananen in ihren Wagen.
»Die wollten Sie doch haben?«
»Mmm.«
»Ich muß mit Ihnen reden.«
»Woher haben Sie gewußt, daß ich hier bin?«
»Sie mußten doch sicher einkaufen. Nach der Reise. Und das hier ist meines Wissens für Sie der nächstgelegene Supermarkt.«
Du weißt, wo ich einkaufe, dachte sie. Du hast festgestellt, wo ich einkaufe, und du wartest bestimmt schon lange hier. Falls du nicht ungewöhnlich großes Glück hast. Hier wimmelt es doch nur so von Menschen. Wir hätten uns verpassen können. Du weißt, wo ich einkaufe, und du hast mich gesucht.
Sie nahm vier Apfelsinen von einem Obstberg und legte sie in eine Tüte. Es fiel ihr schwer, die Tüte zu verknoten.
»Warten Sie. Ich helfe Ihnen.«
Yngvar Stubø griff nach der Tüte. Seine Finger waren stumpf, aber flink. Schnell.
»So. Ich muß wirklich mit Ihnen reden.«
»Hier?«
Sie breitete die Arme aus und versuchte, eine sarkastische Miene aufzusetzen. Das war schwer, solange ihr Gesicht noch immer die Farbe der Tomaten im Kasten neben ihr hatte.
»Nein. Könnten wir … würden Sie mit ins Büro kommen? Das liegt am anderen Ende der Stadt, wenn Sie es also einfacher fänden …«
Er zuckte mit den Schultern.
Du willst mit mir nach Hause kommen. Himmel, der Mann will mit mir nach Hause kommen. Kristiane ist … Wir werden allein sein. Nein, das will ich nicht.
» Wir könnten zu mir nach Hause fahren«, sagte sie leichthin. »Ich wohne gleich um die Ecke. Aber das wissen Sie ja.«
»Geben Sie mir Ihren Einkaufszettel, dann haben wir das im Handumdrehen erledigt.«
Er streckte die Hand aus.
»Ich habe keinen Einkaufszettel«, sagte sie rasch. »Wieso nehmen Sie das an?«
»Sie kommen mir so vor«, sagte er und ließ seine Hand sinken. »Sie sind irgendwie der Einkaufslistentyp. Da war ich mir sicher.«
»Da haben Sie sich also geirrt«, sagte sie und wandte sich ab.
»Sie haben es wirklich gemütlich hier.«
Er stand mitten im Wohnzimmer. Zum Glück hatte sie aufgeräumt. Sie zeigte vage in Richtung Sofa. Sie selbst setzte sich in einen Sessel. Einige Minuten verstrichen, ehe ihr bewußt wurde, daß sie ganz gerade saß, vorn an der Kante. Langsam, um diese Bewegung nicht zu deutlich werden zu lassen, ließ sie sich zurücksinken.
»Keine nachweisbare Todesursache«, sagte sie langsam. »Sarah ist einfach so gestorben.«
»Ja. Eine kleine Wunde über dem Auge. Aber keine inneren Verletzungen. Eine ganz unbedeutende Wunde, jedenfalls was die Todesursache angeht. Eine gesunde, kräftige Achtjährige. Auch diesmal hat er … der Mörder, meine ich, die Mörderin, wir wissen ja nicht, ob es ein Mann oder eine …«
»Ich glaube, Sie können ruhig ›er‹ sagen.«
»Warum?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Zum einen, weil das einfacher ist, als die ganze Zeit ›er oder sie‹ sagen zu müssen. Außerdem, weil ich eigentlich ziemlich sicher bin, daß es sich um einen Mann handelt. Fragen Sie mich nicht, warum, ich kann das nicht begründen. Vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, daß eine Frau so mit Kindern umgehen würde.«
»Und wer würde Ihrer Vorstellung nach mit Kindern so umgehen?«
»Was wollten Sie sagen?«
»Ich habe gefragt, wer …«
»Nein, ich habe Sie vorhin unterbrochen. Sie wollten sagen, daß der Mörder auch diesmal …«
»Ach ja. Auch dieses Kind hatte Diazepam im Urin. In winzigen Mengen.«
»Wozu sollte jemand einem Kind ein Beruhigungsmittel geben?«
»Um es zu beruhigen, nehme ich an. Vielleicht hat er … vielleicht sind sie an einem Ort versteckt, wo sie still sein müssen. Er muß sie zum Schlafen bringen.«
»Wenn es ums Schlafen geht, dann könnte er ihnen doch Schlafmittel geben.«
»Ja. Aber vielleicht kann er sich keine besorgen. Möglicherweise hat er nur Valium.«
»Wer hat Zugang zu Valium?«
»Ach, Herrgott …«
Er unterdrückte ein Gähnen und schüttelte heftig den Kopf.
»Ungeheuer viele«, sagte er dann und seufzte. »Zum einen alle, denen dieses Mittel von einem Arzt verschrieben wird. Das sind sicher Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende. Dann haben wir Apotheker, Ärzte, Krankenhauspersonal … natürlich sollen Krankenhäuser und Apotheken solche Mittel unzugänglich aufbewahren, aber hier ist die Rede von so kleinen Mengen, daß es fast keine Grenzen für … es kann sich im Grunde um alles mögliche handeln. Haben Sie
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