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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Umwege zu machen.«
    Danach herrschte kurzes Schweigen.
    »Tatsächlich bin ich dreierlei«, begann Walker. »Ein Mann, ein Staatsanwalt und ein Kandidat fürs Richteramt.«
    »Und?«
    »Al Eugene ist kein betrügerischer Anwalt. Er ist ein guter Mann. Er kämpft für seine Ideale. Und das muss er auch. Tatsache ist leider, dass der Staat Texas strukturell bedingt nicht viel für den Schutz der Rechte von Angeklagten tut. Mittellose Angeklagte stehen noch schlechter da. Das wissen Sie, weil Sie selbst einen Anwalt für Carmen finden mussten, nachdem Sie erfahren hatten, dass ihr Fall erst in einigen Monaten verhandelt werden würde. Und die Anwältin, die Sie glücklich gefunden haben, hat Ihnen sicher erklärt, dass sie mit weiteren monatelangen Verzögerungen rechnet. Unser System ist schlecht, und ich bin mir darüber im Klaren. Auch Al ist sich darüber im Klaren. Unsere Verfassung garantiert jedem Angeklagten anwaltlichen Beistand, und Al nimmt dieses Versprechen sehr ernst. Er versucht jedem zu helfen, der sich an ihn wendet. Und darunter sind unvermeidlich auch Ganoven. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass die Verfassung auch für diese Leute gilt. Doch die meisten seiner Mandanten sind in Ordnung, wenn auch arm, ob das nun Schwarze, Weiße oder Hispanier sind.«
    Reacher sagte nichts.
    »Lassen Sie mich also raten«, fuhr Walker fort. »Ich weiß nicht, wer Ihnen erzählt hat, Al sei ein Betrüger, aber ich gehe
jede Wette ein, dass Sie’s von einem oder einer Weißen mit Geld oder in gehobener Stellung gehört haben.«
    Von Rusty Greer, dachte Reacher.
    »Ich will nicht wissen, von wem«, sagte Walker. »Aber Sie werden zugeben müssen, dass ich Recht habe. Sieht jemand aus diesem Umfeld, wie ein Anwalt sich für arme Leute oder Farbige einsetzt, betrachtet er das als lästig oder unangenehm, gewissermaßen als Verrat an seiner Rasse oder Klasse, und dann ist es zu Betrugsvorwürfen nicht mehr weit.«
    »Okay«, räumte Reacher ein. »Vielleicht habe ich Eugene falsch eingeschätzt.«
    »Ich garantiere Ihnen, dass das so ist. Sie können seine Laufbahn bis zu dem Tag zurückverfolgen, an dem er die Aufnahmeprüfung für die Anwaltskammer bestanden hat, und werden nirgends auch nur die geringste Spur von Betrug entdecken.«
    Er tippte auf das Foto, auf eine Stelle unmittelbar unter Al Eugenes Kinn.
    »Er ist mein Freund«, sagte er. »Und darüber bin ich sehr froh. Als Mann und als Staatsanwalt.«
    »Wie steht’s mit Sloop Greer?«
    Walker nickte. »Zu dem kommen wir noch. Aber erst möchte ich Ihnen erzählen, wie’s ist, ein Staatsanwalt zu sein.«
    »Was gibt’s da zu erzählen?«
    »Eine ähnliche Geschichte. Ich bin wie Al. Ich glaube an die Verfassung, das Recht, an Unparteilichkeit und Fairness. Sie können das ganze Büro auf den Kopf stellen, ohne einen einzigen Fall zu finden, in dem ich nicht fair und unparteiisch gewesen bin. Gut, ich war manchmal streng und habe viele Leute hinter Gitter gebracht – ein paar sogar in die Todeszelle -, aber ich habe nie etwas getan, von dessen Richtigkeit ich nicht überzeugt war.«
    »Als Wahlrede nicht schlecht«, meinte Reacher. »Aber ich bin nicht als Wähler registriert.«

    »Ich weiß«, sagte Walker. »Ich hab nachgesehen und festgestellt, dass Sie das tatsächlich nicht sind. Nur deshalb rede ich so mit Ihnen. Ich meine, was ich sage. Ich möchte Richter werden, weil ich in dieser Stellung Gutes tun könnte. Kennen Sie das texanische Justizsystem?«
    »Eigentlich nicht.«
    »In Texas werden alle Richter gewählt. Sie besitzen große Macht. Und Texas ist ein seltsamer Staat. Hier gibt’s viele reiche, aber auch sehr viele arme Leute. Die Armen brauchen natürlich Pflichtverteidiger. Aber in Texas gibt es keine staatlich bestellten Pflichtverteidiger, sondern die Richter bestimmen, wer die armen Leute verteidigen soll. Sie wählen ihre Verteidiger einfach aus irgendeiner Anwaltskanzlei aus. Sie haben den ganzen Vorgang unter Kontrolle, denn sie legen auch das Anwaltshonorar fest. Das ist Günstlingswirtschaft, sonst nichts. Für wen wird der Richter sich wohl entscheiden? Er wird jemanden nehmen, der für seine Wahlkampagne gespendet hat. Hier geht’s um Seilschaften, nicht um Befähigung oder Begabung. Der Richter veranlasst, dass eine von ihm bevorzugte Anwaltskanzlei aus Steuergeldern zehntausend Dollar erhält; die Kanzlei beauftragt irgendeinen unfähigen Lakaien, der für hundert Dollar den Beschuldigten vertritt. Das bedeutet, dass die

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