In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
Ihren Namen dauernd erwähnt. Reacher dies, Reacher das. Hat keinen Unterschied gemacht. Sie hat immer nur gesagt, sie lehne es ab, sich von mir vertreten zu lassen. Danach hat sie kein Wort mehr geredet.«
»Können Sie sich einen Grund dafür vorstellen?«
Alice zuckte erneut die Schultern. »Unter den gegebenen Umständen eigentlich nicht. Ich meine, ich bin natürlich nicht gerade Perry Mason. Vielleicht mache ich keinen allzu vertrauenswürdigen Eindruck. Ich kreuze halb nackt und schwitzend wie ein Schwein bei ihr auf. Und wenn wir hier an der Wall Street oder sonst wo wären, könnte ich verstehen, wenn jemand sagt: Vergiss es! Aber wir sind nicht an der Wall Street, sondern im Pecos-County-Gefängnis, und sie ist eine Latina, und ich bin eine Anwältin, die ihre Verteidigung übernehmen will – also hätte sie mir um den Hals fallen müssen, weil ich überhaupt gekommen bin.«
»Warum also?«
»Keine Ahnung.«
»Wie geht’s jetzt weiter?«
»Jetzt gerät die Sache zu einem Balanceakt. Ich muss sie dazu bringen, mich als ihre Anwältin zu akzeptieren, bevor jemand mitkriegt, dass sie das ablehnt.«
»Und wenn sie bei ihrer Ablehnung bleibt?«
»Dann kümmere ich mich um meinen bisherigen Kram, und sie ist völlig auf sich allein gestellt. Bis in ungefähr einem halben Jahr Anklage gegen sie erhoben wird und ein Anwaltsfreund des Richters irgendeinen Idioten aus seiner Kanzlei zu ihr schickt.«
Reacher schwieg einen Augenblick. »Tut mir Leid, Alice. Ich hatte keine Ahnung, dass das passieren könnte.«
»Nicht Ihre Schuld.«
»Gehen Sie erst gegen sieben Uhr wieder hin, okay?«, schlug er vor. »Wenn die Büros oben leer sind und bevor die Frau von der Nachtschicht ihren Dienst antritt. Sie scheint mir neugieriger zu sein als der Typ, der tagsüber Dienst hat. Er achtet wahrscheinlich nicht weiter auf euch. Also können Sie sie etwas unter Druck setzen. Sie soll ruhig brüllen, wenn ihr danach zumute ist.«
»Okay«, entgegnete sie. »Ich gehe um sieben hin. Verdammt aufregender Tag. Ein Auf und Ab wie mit der Achterbahn.«
»Wie im wirklichen Leben«, sagte Reacher.
Sie lächelte flüchtig. »Wo finde ich Sie?«
»Ich wohne im letzten Motel vor dem Highway.«
»Sie mögen Verkehrslärm?«
»Ich mag es billig. Zimmer elf, und ich heiße Millard Fillmore.«
»Warum?«
»Gewohnheit«, sagte er. »Ich mag Decknamen. Ich mag Anonymität.«
»Und wer ist Millard Fillmore?«
»US-Präsident, Abraham Lincolns Vorvorgänger. Aus New York.«
Sie dachte nach. »Soll ich mich ihretwegen wie eine Anwältin anziehen? Würde das was ändern?«
Reacher zuckte mit den Schultern. »Eher nicht. Schauen Sie mich an. Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche, und sie hat nie ein Wort darüber verloren.«
Alice lächelte wieder. »Sie sehen tatsächlich so aus. Als Sie heute Morgen reingekommen sind, dachte ich, Sie seien der Mandant. Vielleicht ein Obdachloser, der Schwierigkeiten mit der Polizei hat.«
»Meine Klamotten sind neu«, protestierte Reacher. »Heute Morgen gekauft.«
Sie musterte ihn, ohne etwas zu sagen. Er überließ sie ihrem Papierkram und ging zu der Pizzeria südlich des Gerichtsgebäudes. Das Lokal war ziemlich voll. Es hatte über der Eingangstür ein riesiges Klimagerät, das einen stetigen Strom kühler Luft über den Gehsteig blies. Offenbar der angenehmste Ort von ganz Pecos und deshalb auch der beliebteste. Er ging hinein und bekam einen der letzten freien Tische. Er trank Eiswasser und bestellte sich eine Anchovis-Pizza mit einer Extraportion gesalzener Sardellen. Er hatte das Gefühl, seinem Körper Salz zuführen zu müssen.
Während er seine Pizza aß, wurde dem Killerteam über Dallas und Las Vegas telefonisch von einem Mann, der leise, aber deutlich sprach, die detaillierte Beschreibung einer neuen Zielperson übermittelt – eines Mannes. Sie begann mit seinem vollständigen Namen und seinem Alter und wurde mit einer genauen Schilderung seiner Person und seiner voraussichtlichen Aufenthaltsorte in den kommenden achtundvierzig Stunden fortgesetzt.
Diese Informationen nahm die Frau entgegen, weil sie ihre Partner zum Essen weggeschickt hatte. Sie machte sich keine
Notizen. Sie war von Natur aus übervorsichtig, was schriftliche Aufzeichnungen betraf, und besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das sie durch ständige Übung trainierte. Sie hörte aufmerksam zu, bis der Anrufer fertig war, und entschied dann, welches Honorar das Team für diesen Auftrag verlangen würde.
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