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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Spiegelbild.
    »Ich hab Sie was gefragt«, sagte der Kerl.
    Reacher ignorierte ihn.
    »He, ich rede mit Ihnen«, sagte der Typ.
    »Das ist ein großer Fehler«, entgegnete Reacher. »Schließlich könnte ich ein höflicher Mensch sein. Ich könnte mich verpflichtet fühlen, mich nach Ihnen umzudrehen – und dann würde ich über Ihre Schuhe pissen.«
    Der Kerl trat, offenbar aus dem Konzept gebracht, von einem Bein aufs andere. Er hatte sich anscheinend eine kleine Rede zurechtgelegt, wovon Reacher ausgegangen war. Diese improvisierte Unterbrechung würde ihm hoffentlich etwas Zeit verschaffen. Vielleicht so viel, dass er seinen Reißverschluss wieder zuziehen konnte. Der Kerl trat weiter von einem Bein aufs andere, als wisse er nicht recht, wie er sich verhalten sollte.
    »Also muss ich’s Ihnen sagen, denke ich«, sagte er dann. »Irgendeiner muss es tun.«
    Er hatte nicht reagiert. Kein bisschen schlagfertig.
    »Mir was sagen?«, fragte Reacher.
    »Was bei uns üblich ist.«
    Reacher antwortete nicht gleich. Das einzige Problem bei Kaffee war seine harntreibende Wirkung.
    »Und was ist bei euch üblich?«, wollte er wissen.
    »Bei uns bringt man keine Bohnenfresser in Lokale für anständige Leute mit.«

    »Was?«, fragte Reacher.
    »Welchen Teil verstehen Sie nicht?«
    Reacher atmete aus. Ihm blieben ungefähr noch zehn Sekunden.
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte er.
    »In Lokale wie dieses hier bringt man keine Bohnenfresser mit.«
    »Was ist ein Bohnenfresser?«, fragte Reacher.
    Der Kerl trat einen Schritt vor. Sein Spiegelbild wurde entsprechend größer.
    »Latinos«, sagte er. »Die fressen dauernd Bohnen.«
    »Latina«, verbesserte ihn Reacher. »Mit einem a. Die Wortendung hängt vom Geschlecht ab. Und sie hat einen Eiskaffee getrunken. Hab sie den ganzen Tag noch keine einzige Bohne essen gesehen.«
    »Sie sind ein Klugscheißer, was?«
    Reacher war fertig und zog mit einem Seufzer seinen Reißverschluss zu. Verzichtete darauf, die Spülung zu betätigen. Das schien hier nicht üblich zu sein. Er wandte sich einfach dem Waschbecken zu und drehte den Hahn auf.
    »Nun, ich bin schlauer als Sie«, sagte er. »Das steht jedenfalls fest. Andererseits bedeutet das nicht viel. Diese Papierrolle hier ist schlauer als Sie. Viel schlauer. Im Vergleich zu Ihnen ist jedes einzelne Blatt praktisch ein Genie. Jedes einzelne Blatt könnte mühelos ein Harvard-Stipendium kriegen, während Sie weiter um Ihren Grundschulabschluss kämpfen.«
    Er hatte das Gefühl, einen Dinosaurier zu reizen, eine Art Brontosaurus, dessen Gehirn sehr weit von allem anderen entfernt war. Die Worte wurden aufgenommen und erst geraume Zeit später verstanden. Danach dauerte es weitere vier oder fünf Sekunden, bis er mit seiner Rechten ausholte. Eine große geballte Faust am Ende eines muskulösen Arms führte einen langsamen, schwerfälligen Schlag gegen Reachers
Kopf. Hätte er getroffen, wäre das nicht ohne Schaden abgegangen. Aber er traf nicht. Reacher fing das Handgelenk des Kerls mit der linken Hand ab und bremste seinen Schlag. Ein lautes, feuchtes Klatschen hallte von den gekachelten Wänden der Toilette wider.
    »Die Bakterien hier auf dem Fußboden sind schlauer als Sie«, sagte er.
    Er drehte seinen Körper etwas zur Seite, damit sein Unterleib geschützt war, und drückte das Handgelenk des Typs mit der Hand zusammen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er imstande gewesen war, allein durch den Druck seiner Hand Knochen zu brechen. Dabei kam es mehr auf wilde Entschlossenheit als auf bloße Kraft an.
    Aber diese Entschlossenheit spürte er jetzt nicht.
    »Heute ist Ihr Glückstag«, meinte er. »Schließlich weiß ich nicht, ob Sie vielleicht ein Cop sind. Deshalb lasse ich Sie laufen.«
    Der Kerl starrte verzweifelt sein Handgelenk an, das in Reachers Griff wie in einem Schraubstock steckte. Es schwoll bereits an und wurde rot.
    »Nachdem Sie sich entschuldigt haben«, sagte Reacher.
    Der Kerl starrte weiter sein Handgelenk an. Vier bis fünf Sekunden lang. Wie ein Dinosaurier.
    »Tut mir Leid«, murmelte er dann. »Ich bitte um Entschuldigung.«
    »Nicht bei mir, Arschloch«, wehrte Reacher ab. »Bei der Lady.«
    Der Kerl sagte nichts. Reacher verstärkte den Druck seiner Linken. Spürte den schweißnassen Daumen über die Spitze des Zeigefingers gleiten. Spürte die Knochen im Handgelenk des Kerls nachgeben. Elle und Speiche rückten näher, als von der Natur vorgegeben, zusammen.
    »Okay«, ächzte der Kerl.

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