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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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er fast aus.«
    Danach herrschte Stille. Nur das leise Rauschen der kalten Luft in den Ventilationsöffnungen über ihnen, vage Klappergeräusche
aus der Küche und Carmen Greers ruhige Atemzüge waren zu hören. Reacher sah über den Tisch zu ihr hinüber, ließ seinen Blick über ihre Hände und Arme, ihren Hals und ihr Gesicht gleiten. Der Ausschnitt ihres Kleides war nach links gerutscht, und er konnte sehen, dass ihr Schlüsselbein an einer Stelle knotenförmig verdickt war. Ein verheilter Bruch, ganz ohne Zweifel. Aber sie saß völlig aufrecht, hielt den Kopf hoch und erwiderte seinen Blick fast trotzig. Ihre ganze Haltung versuchte etwas auszudrücken.
    »Er schlägt Sie jeden Tag?«, fragte er.
    Sie schloss kurz die Augen. »Na ja, fast täglich. Nicht buchstäblich, das stimmt. Aber drei- bis viermal in der Woche. Manchmal öfter. Es kommt mir wie jeden Tag vor.«
    Er machte eine lange Pause, in der er sie forschend anstarrte.
    Dann schüttelte er den Kopf.
    »Das haben Sie nur erfunden«, sagte er.
     
    Die Beobachter blieben hartnäckig in Stellung, auch wenn es nicht viel zu beobachten gab. Das rote Haus lag still in der brütenden Hitze. Das Dienstmädchen kam heraus, setzte sich in ein Auto und fuhr in einer Staubwolke davon, vermutlich zum Einkaufen. Um die Scheune herrschte ein wenig Aktivität. Zwei lustlose Landarbeiter führten die Pferde heraus und im Kreis herum, striegelten sie und brachten sie wieder hinein. Weit hinter der Scheune befand sich die Arbeiterunterkunft: gleiche Bauweise, gleiche blutrote Farbe. Sie schien überwiegend leer zu sein, weil auch die Scheune überwiegend leer war. Insgesamt fünf Pferde, darunter das Pony der Kleinen, die wegen der großen Hitze nur in ihren Boxen dösten.
    Das Dienstmädchen kam zurück und trug Einkaufstüten in die Küche. Auch das notierte der Junge in seiner Kladde. Die von dem Auto aufgewirbelte Staubwolke legte sich langsam,
und die Männer mit den Teleskopen beobachteten sie – mit verkehrt herum aufgesetzter Baseballmütze, um ihren Nacken vor der Sonne zu schützen.
     
    »Sie belügen mich«, sagte Reacher.
    Carmen wandte sich dem Fenster zu. Auf ihren Wangen zeichneten sich rote Flecken ab. Zorn, dachte er. Oder vielleicht Verlegenheit.
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie leise.
    »Körperliche Beweise«, antwortete er. »Sie haben keine sichtbaren blauen Flecken. Ihre Haut ist makellos glatt. Leichtes Make-up, zu leicht, um etwas zu verbergen. Jedenfalls verbirgt es nicht, dass Sie heftig erröten. Sie sehen aus, als kämen Sie direkt aus einem Schönheitssalon. Und Sie bewegen sich ohne Mühe. Über den Parkplatz sind Sie vorhin wie eine Ballerina getänzelt. Also haben Sie keine Schmerzen. Schlägt er Sie praktisch jeden Tag, muss er’s mit einer Feder tun.«
    Sie antwortete nicht gleich. Dann nickte sie. »Ich habe Ihnen noch mehr zu berichten«, erklärte sie.
    Er sah weg.
    »Das wirklich Wichtige«, sagte sie. »Die Hauptsache.«
    »Warum sollte ich Ihnen noch zuhören?«
    Sie griff nach einem weiteren Trinkhalm und streifte die Papierhülle ab. Strich sie glatt und fing an, sie zwischen Daumen und Zeigefinger spiralförmig zusammenzudrehen.
    »Entschuldigung«, sagte sie. »Aber ich musste Ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen.«
    Reacher drehte den Kopf zur Seite, sah aus dem Fenster. Die Sonne ließ den Schatten des Pfostens wie einen Uhrzeiger über die Motorhaube des Cadillacs wandern. Seine Aufmerksamkeit? Er erinnerte sich daran, wie er an diesem Morgen die Tür seines Motelzimmers geöffnet hatte. Ein ganz neuer Tag, der nur darauf wartete, mit dem angefüllt zu werden,
was ihm zufällig begegnete. Er dachte an die Reflexion des Cops in dem Spiegel und das klebrige Zischen der Cadillacreifen, als der Wagen neben ihm gehalten hatte.
    »Okay, meine Aufmerksamkeit haben Sie«, sagte er und sah weiter nach draußen.
    »So war’s fünf volle Jahre lang«, sagte Carmen. »Genau wie ich’s Ihnen geschildert habe. Ehrenwort! Praktisch tagtäglich. Aber vor anderthalb Jahren war Schluss damit. Doch ich musste es Ihnen andersherum erzählen, damit Sie mir zuhören.«
    Er sagte nichts.
    »Das ist nicht leicht«, fuhr sie fort. »Dieses Zeug einem Fremden zu erzählen.«
    Er wandte sich ihr wieder zu. »Es ist nicht leicht, sich das anzuhören.«
    Sie holte tief Luft. »Wollen Sie mich hier sitzen lassen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Vor einer Minute hätte ich’s beinahe getan.«
    Sie machte eine Pause. »Bitte, tun Sie’s

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