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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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ich Ihnen zur Flucht verhelfe?«
    Sie schwieg eine Weile. Die Straße fiel leicht ab, dann stieg sie wieder an. Vor ihnen auf dem nächsten Hügelrücken waren Gebäude zu erkennen. Vermutlich die Tankstelle, eine Großtankstelle mit Werkstatt und Abschleppdienst.
    »Im Augenblick sollen Sie mir nur zustimmen«, sagte sie. »Ein Jahr genügt. Deshalb ist’s in Ordnung, gewartet zu haben.«
    »Klar«, sagte er. »Ein Jahr genügt. Es ist in Ordnung, gewartet zu haben.«
    Sie sagte nichts mehr. Hielt auf die Tankstelle zu, als hinge ihr Leben davon ab.
     
    Als Erstes erreichten sie einen Schrottplatz. An der Straße stand ein lang gestreckter, niedriger Wellblechschuppen, dessen Fassade hinter alten Radkappen verschwand. Dahinter lag der große Schrottplatz. Die Fahrzeuge waren zu fünft oder sechst aufeinander gestapelt, wobei die ältesten Wagen sich ganz unten befanden – wie in geologischen Schichten. Hinter diesem Schuppen lag die Zufahrt zur Tankstelle. Sie besaß Zapfsäulen mit Zeigern statt Zählwerken und vier Toiletten statt nur zwei. Ein schweigsamer alter Mann trat aus dem Kassenhäuschen und füllte den Tank.

    In den Tank des Cadillac passten über fünfundsiebzig Liter, die Reacher den Preis eines Motelzimmers kosteten. Er reichte die Scheine durch das Autofenster und verzichtete mit einer Handbewegung auf den Dollar Wechselgeld. Er fand, der alte Knabe habe ihn sich verdient. Die Außentemperaturanzeige am Instrumentenbrett stand auf vierundvierzig Grad. Kein Wunder, dass der Typ so schweigsam war. Dann fragte Reacher sich jedoch, ob seine Schweigsamkeit darauf zurückzuführen war, dass der Kerl es nicht gern sah, dass eine Bohnenfresserin einen Weißen in einem Cadillac spazieren fuhr.
    »Gracias, señor« , sagte Carmen. »Vielen Dank.«
    »War mir ein Vergnügen«, gab er zurück. »De nada, señorita.«
    »Sie sprechen Spanisch?«
    »Nicht richtig«, antwortete er. »Ich bin mit der Army weit herumgekommen, deshalb kann ich in vielen Sprachen ein paar Worte sagen. Aber das ist schon alles. Nur Französisch spreche ich ziemlich gut. Meine Mutter ist Französin.«
    »Aus Louisiana oder Kanada?«
    »Aus Paris.«
    »Dann sind Sie also ein halber Ausländer«, meinte sie.
    »Manchmal komme ich mir wie ein ganzer vor.«
    Sie lächelte, als glaube sie ihm nicht, fuhr wieder auf die Straße hinaus und beschleunigte auf siebzig.
    »Aber Sie sollten mich señora nennen«, sagte sie. »Nicht señorita. Ich bin eine verheiratete Frau.«
    »Ja«, sagte er. »Das sind Sie wohl.«
    Sie fuhren schweigend etwa eine Meile. Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her, während ihre Hände leicht auf dem unteren Rand des Lenkrads ruhten. Dann holte sie tief Luft.
    »Okay, hier liegt das Problem«, sagte sie. »Ich habe kein Jahr mehr Zeit.«
    »Warum nicht?«

    »Weil sein Anwaltsfreund vor vier Wochen bei uns aufgetaucht ist und erzählt hat, dass irgendein Deal läuft.«
    »Was für ein Deal?«
    »Das weiß ich nicht, weil niemand mir was Genaues erzählt hat. Aber ich vermute, dass Sloop einige seiner Geschäftspartner ans Messer liefert, um vorzeitig entlassen zu werden. Ich glaube, dass sein anderer Freund den Deal über die Staatsanwaltschaft eingefädelt hat.«
    »Scheiße«, sagte Reacher.
    Carmen nickte. »Ja, Scheiße. Sie haben alle wie verrückt gearbeitet, um den Deal zustande zu bringen. Und ich musste dauernd lächeln, als fände ich’s großartig, dass Sloop vorzeitig entlassen wird.«
    Reacher äußerte sich nicht dazu.
    »Aber innerlich schreie ich«, sagte sie. »Ich hab zu lang gewartet, wissen Sie. Habe anderthalb Jahre lang nichts unternommen, weil ich dachte, ich sei außer Gefahr. Das war ein Irrtum. Ich bin dumm gewesen. Ich habe nichts ahnend in der Falle gesessen, und jetzt ist sie zugeschnappt.«
    Reacher nickte. Aufs Beste hoffen, aufs Schlimmste vorbereitet sein . Nach diesem Prinzip handelte er.
    »Und wie kommt der Deal voran?«, erkundigte er sich.
    Der Wagen raste weiter nach Süden.
    »Er ist abgeschlossen«, antwortete sie mit dünner Stimme.
    »Wann kommt er also raus?«
    »Heute ist Freitag«, entgegnete sie. »Ich glaube nicht, dass er am Wochenende entlassen wird. Deshalb rechne ich damit, dass er am Montag freikommt. Mir bleiben also nur noch ein paar Tage.«
    »Ich verstehe«, sagte Reacher.
    »Deshalb habe ich Angst«, sagte Carmen. »Er kommt wieder nach Hause.«
    »Ich verstehe«, wiederholte Reacher.
    »Wirklich?«, fragte sie.

    Er schwieg.
    »Montagabend«, sagte sie.

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