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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Higgins
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auftreiben.
    Nachdem Sarah eingecheckt hatte, drehte sie sich mit der Schlüsselkarte in der Hand um und schaute zu der Sesselgruppe, wo sie Kate und Sam zurückgelassen hatte. Zu ihrem Entsetzen erblickte sie dort drei Männer, die sich offensichtlich besorgt über Kates schlaffe Gestalt beugten, und Sam, der steif danebenstand.
    O Gott!
Sie durchquerte eilig die Halle, ihre Gedanken überschlugen sich. War Kate etwa bewusstlos? Hatte sie Fieberkrämpfe? Die Nebenwirkungen von so vielen Impfungen konnten gefährlich werden. Hatte Kate sich den Polioimpfstoff spritzen lassen oder die orale Schluckimpfung verabreicht bekommen? Sarah ging im Kopf die verschiedenen Impfungen durch, die bekannten Nebenwirkungen und die selteneren Komplikationen.
Ich hätte sie nie hierherbringen dürfen. Sie ist nicht mehr sie selbst. Seit ihrem ersten Fallschirmsprung verhält sie sich so seltsam …
    »Sam, was ist passiert?«, fragte sie atemlos.
    Er wirkte angespannt, seine Augen waren seltsam leer.
    »Sam?«
    »Es geht ihr gut, Sarah«, antwortete er kurz angebunden. »Diese Männer sind Ärzte.«
    Sarah kauerte sich neben den Sessel und sah erleichtert, dass Kate bei Bewusstsein war. Tatsächlich grinste sie zu dem Arzt empor, der ihr Handgelenk hielt und ihren Puls tastete.
    »Sieh doch, Sarah-Belle«, sagte Kate mit einem seltsamen Kichern, »ich werde von Indiana Jones untersucht.«
    Der Arzt lachte tief und rauh. »Sie deliriert ganz offensichtlich.«
    Vielleicht war es das Lachen. Vielleicht war es der breite amerikanische Akzent. Oder vielleicht war es der Anblick dieser gebräunten langen Finger, die auf Kates Handgelenk lagen. Gewandte, geschmeidige Finger. Wissende Hände. Die Hände eines Chirurgen.
    Colin.
     
    Solche Dinge passierten nur in Träumen. Sarah fühlte sich schwerelos, körperlos. Sein Blick war ihr einziger Anker, der sie an Ort und Stelle hielt. Um ihn herum verblasste die Welt.
    Die Zeit hatte einige weiße Strähnen in seinem Haar hinterlassen, das er heute sehr viel ordentlicher geschnitten trug als früher. Sie bemerkte den Schatten seines Schlüsselbeins durch den Ausschnitt seines frischen weißen Hemdes, das leichte Pulsieren einer Ader an seiner Kehle, die v-förmige Narbe genau unter seinem Ohr. Binnen eines Herzschlags war er aus ihren Fantasien herausgerissen und zu einem Mann aus Fleisch und Blut geworden, der sich nur Zentimeter von ihr entfernt über ihre Freundin beugte.
    Colin.
In seinen Augenwinkeln zeichneten sich Fältchen ab, die da in Paraguay noch nicht gewesen waren. Er hatte in den letzten vierzehn Jahren offensichtlich viel gelacht. Fast konnte sie dieses Lachen hören, wie es durch den langen Schlauch seiner chirurgischen Praxis dröhnte, wie er freundlich mit friedfertigen Kindern in den Stunden scherzte, bevor er ihre Gesichter wiederherstellte.
    Erinnerung flackerte in seinen grauen Augen auf, und sie bemerkte den bernsteingelben Kranz um seine Pupillen, die whiskeyfarbenen Ringe, die seine Augen so unverwechselbar machten. Argwöhnisch starrte er sie an, ehe wachsende Erkenntnis sein Gesicht mit einem warmen Leuchten überzog. Sie beobachtete ihn, betrachtete vierzehn Jahre, die wie Wasser zwischen ihnen dahinflossen. Dann blickten sie sich in die Augen, als wären diese Jahre nie vergangen.
    »Sarah?« Er schüttelte den Kopf, schnell und kaum wahrnehmbar. »Sarah Pollard?«
    »Colin.«
    Es war nur ein Flüstern, beinahe kraftlos, und doch klang sein Name wie eine Verheißung.
    Aus der Ferne ertönte eine weitere Stimme. Dann noch eine. Es folgte ein verlegenes Lachen, das Sarah nur gedämpft wahrnahm. Sie versuchte, diese Störungen nicht zu beachten, doch Colin richtete sich auf und zerstörte so den Zauber.
    Die Welt brach über sie herein, die Stimmen der Menschen. Kleine Gruppen von Männern und Frauen strömten durch die Hoteltüren in die Lobby. Die Aufzüge öffneten sich mit einem »Ping«. Kate summte in ihrem Sessel. Colins Begleiter betrachteten sie mit unverhohlener Neugier. Im Hintergrund beobachtete Sam die Szenerie – mit einem ebenso grimmigen wie angespannten Gesichtsausdruck.
    »Ich bin sprachlos vor Überraschung«, sagte Colin zu seinen Kollegen, wobei er den Blick nicht von Sarah wandte. »Gentlemen, das ist Sarah Pollard, eine alte Freundin von mir. Wir waren zusammen mit dem Friedenscorps in Südamerika. Sam war auch dabei. Wie lange ist das jetzt her … fünfzehn Jahre?«
    Sarah straffte den Rücken. Sie besaß wieder ein Gewicht, einen Körper.

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