In Liebe, Rachel
Tag gefunden. Und die Strände sind voll von weißem Sand, der so weich ist wie die Haut einer Frau.«
Sarah spürte, wie sich ihre helle Haut rötete. Sie wandte sich ab, um Sams Blick auszuweichen, und half Kate beim Einsteigen. »Als ich das letzte Mal mit dir gesprochen habe«, entgegnete sie, während sie ihren Rucksack ins Auto hievte, »hast du nur davon geredet auszusteigen und wie sehr du Würstchen mit Kartoffelbrei und Kricket im Fernsehen vermisst.«
»Die indische Kricket-Nationalmannschaft trainiert heute in einem Vorort von Bangalore. Außerdem werden unter der Woche noch Spiele stattfinden …«
»Dr. Mwami hat dir erzählt, dass ich herkomme, nicht wahr?«
Sie blickte zu rasch auf. Er hatte einen Arm auf die Tür gelegt und die andere Hand auf das Autodach und hielt Sarah so in seiner Körperwärme gefangen. Sie konnte die schwache Erhebung der Narbe auf seiner Wange erkennen, die aus seiner Kindheit stammte. Sie hatte Rachel, als sie Sam im Jahr zuvor kennengelernt hatte, zu dem Geständnis verleitet, dass er das geschmeidige, exotische Aussehen des Popsängers Seal und eine doppelt so starke sexuelle Ausstrahlung besaß.
Doch sie selbst und Rachel hatten die Menschen immer unterschiedlich wahrgenommen.
»Ja, das kann schon sein. Der gute Doktor …«, entgegnete Sam, und die Narbe auf seiner Wange bewegte sich.
»Und deshalb bist du nach Bangalore gereist.«
»Indien ist nicht Burundi, Sarah-Belle. Wer soll dich denn vor den Verbrechern der großen, bösen Stadt bewahren? Wer wird die Kaution stellen, wenn man dich ins Gefängnis steckt, weil du im eingeschränkten Halteverbot in der zweiten Reihe geparkt hast?«
Sarah verstand den Wink. Ein Polizeibeamter näherte sich und bedeutete ihnen mit seinem Schlagstock, das Auto wegzufahren. Sie schloss die Wagentür hinter Kate und setzte sich rasch auf den Beifahrersitz, während Sam die Hände hob und den Ahnungslosen spielte. Er schob seine lange Gestalt auf den Fahrersitz und trat aufs Gas.
Sam lenkte den Wagen schwungvoll in den vorbeiströmenden Verkehr. Sarah packte das Armaturenbrett, und ein vertrauter Ärger stieg in ihr auf. Dieser Mann hatte die einzigartige Fähigkeit, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie fühlte sich reizbar und genervt.
»Du hättest nicht kommen sollen, Sam«, sagte sie. »Ich muss nicht gerettet werden.«
»Wer hat etwas von Rettung gesagt?« Sam schlug das Lenkrad ein, um einer Rikscha auszuweichen, die sich unvermittelt in den Verkehrsstrom einreihte. »Ich brauche Urlaub, du brauchst einen Fahrer, und hier bin ich.«
»Ich hätte einen Fahrer mieten können.«
»Du wärst betrogen worden.«
»Ein einheimischer Fahrer würde diese Straßen besser kennen als du.« Eine Ampel ragte über einer Kreuzung empor. »Es ist grün.«
»Ich kenne diese Straßen gut genug«, antwortete er und schnitt ein zerbeultes Taxi, um noch bei Grün über die Ampel zu kommen. »Außerdem verlange ich kein Bakschisch und werde dich auch nicht zum Räucherwerkladen von irgendeinem Onkel fahren statt zu dem Tempel, den du eigentlich sehen willst …«
»Hat Dr. Mwami dir auch gesagt,
warum
ich hergekommen bin?«
Sam wandte seine Augen nur eine Minute von der Straße, doch sein fester Blick sagte ihr, dass er
alles
wusste.
Ihr wurde heiß und kalt. Das konnte nicht sein! Sie hatte Dr. Mwami erzählt, wohin sie reiste, aber nicht den Grund genannt – ihrem Vorgesetzten gegenüber würde sie nicht zugeben, dass sie einer alten Flamme hinterherjagte. Und doch spürte Sarah die Hitze von Sams Wissen, und sie wäre vor Scham am liebsten gestorben. Sam war ein Mann, der in seinem Kopf eine Karte von sich ständig verändernden Informationen über drei Regierungen und sechs Rebellenbewegungen gespeichert hatte, die ihn unentbehrlich machte für die Versorgung des isoliert gelegenen und oftmals belagerten Flüchtlingscamps mit Nahrung, Treibstoff und medizinischen Utensilien. Was Sam nicht wusste, erfuhr er bald. So war es offensichtlich auch dieses Mal gewesen.
Sarah wandte sich von diesen wissenden Augen ab, lehnte den Kopf gegen das Seitenfenster und blickte auf die Bollywoodplakate, mit denen die beschleunigende Auto-Rikscha neben ihnen gepflastert war. Ihre Kehle schmerzte vor Durst, ihr Körper vor Schlafmangel, ihre Augen fühlten sich an wie Sandpapier. Kate begann auf dem Rücksitz zu singen, eine seltsam hüpfende Melodie, die nur ihr selbst etwas sagte. Sarah seufzte leise. Jetzt musste sie sich auch noch mit
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