In Liebe, Rachel
Licht drang durch Jalousien. Wenn sie aufstünde, durch den Raum ginge und sie öffnete, würde sie nur den vom Monsun gewaschenen indischen Himmel sehen. Doch es gab keinen Grund, sie zu öffnen. Ihre Welt – ihr ganzes Leben – hing in der Schwebe, hier und jetzt, in diesem Doppelbett. Neben ihr lag Colin auf dem Rücken, seine breite Brust hob und senkte sich langsam.
Sie hatte so viel vergessen. Die Schwärze seiner Wimpern, mit goldenen Spitzen. Wie rasch sein Bart wuchs. Die vielen Farben darin – strahlendes Blond, jungenhaftes Rot, durchzogen von hellen weißen Härchen.
Ich habe dich immer geliebt.
Sie sagte es still vor sich hin, aus alter Gewohnheit – sie sagte es still, weil sie nicht wagte, es laut auszusprechen, noch nicht. Er bewegte sich im Schlaf, und sie dachte: Wach nicht auf! Sie wollte diesen Moment in ihrer Erinnerung bewahren – dieses süße, zerbrechliche Gefühl der schläfrigen Gemeinschaft, in der sie so tun konnte, als ob die letzten vierzehn Jahre nicht gewesen, als ob sie immer noch jung und ungebunden in Paraguay wären. Wenn er jetzt aufwachte, hätte er die Realität ebenfalls geweckt. Den Geist der anderen Frau.
Plötzlich öffnete er die Augen.
»Sarah!«
Sie küsste ihn, um das leichte Erstaunen in seiner Stimme zu vertreiben. Sein Mund war warm. Sie legte ihre Hand an seine Wange, wollte dadurch den Moment festhalten. Bartstoppeln kratzten an ihrer Handfläche. Sarah schob ihr Knie sein Bein hinauf. Vierzehn Jahre war es her, doch ihr Körper erinnerte sich, wie es war, bei Colin zu sein.
Sie hatten sich letzte Nacht dreimal geliebt. Das erste Mal war atemlos und hektisch gewesen, sie hatten sich nur die Kleider vom Leib gerissen, die im Weg gewesen waren. Er hatte sie an der Wand neben der Tür genommen, ihren Rock über ihre Taille geschoben, den Slip um ihre Fußknöchel geknüllt. Sie sagte sich, dass das ein lange unterdrückter Hunger gewesen war. Sie sagte sich, dass damit nicht sein erwachendes Gewissen beiseitegeschoben, dass damit nicht eine Sünde begangen werden sollte, bevor beide wieder einen klaren Gedanken fassen konnten. Als sie sich das zweite Mal liebten, blickten sie sich in der Dunkelheit schwer atmend in die Augen, machten sich nichts mehr vor. Sie hatten sich gegenseitig ausgezogen und entdeckten den Körper des anderen neu. Beim dritten Mal war sie davon erwacht, dass er sich an sie drückte, Colin war ihr gieriger Dämon in der Dunkelheit, als wären sie wieder jung, und der Regen trommelte auf das strohgedeckte Dach, und vor ihnen erstreckten sich Stunden träger südamerikanischer Zeit.
Und jetzt, als das Tageslicht durch die Jalousien hereindrang, wollte sie Colin daran erinnern, wie es war, ihren warmen, willigen Körper in seinem Bett zu haben. Bei ihm war sie schon immer schamlos gewesen. In Paraguay hatte sie sich oft gefragt, ob Pombero, der lüsterne, schelmische Kobold der Nacht, ihren Geist in Besitz genommen hatte. Doch tief im Herzen gestand sie sich nun ein, dass mehr als Gier hinter dieser Leidenschaft stand. In dieser seltsamen Konstellation – sie und Colin und der Geist dieser anderen Frau – fand sie sich in der Rolle der Angreiferin wieder.
Doch schon bald bemerkte sie seine Zurückhaltung, seine Hand auf ihrer Hüfte bewegte sich nicht. Ihre Küsse blieben unerwidert. Sie hielt inne, fuhr mit ihrer Nase an seiner entlang und zog sich dann weit genug zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Und wünschte sich, dass es nicht so hell im Raum wäre.
Er schob sie sanft zur Seite und setzte sich in einer fließenden Bewegung auf. Die Muskeln an seinem Rücken spannten sich an, als er die auf dem Boden liegende Kleidung durchsuchte, seine Unterhose fand und sie überstreifte. Sarah hüllte sich in das Laken, doch keine Decke der Welt hätte genügt, die Kälte abzuhalten.
»Es ist fast neun Uhr.« Er sprach knapp, heiser. »Ich muss in dreißig Minuten bei einem Symposium sein.«
Sarah rollte sich zusammen, als sei jedes seiner Worte ein Schlag. Sie zwang sich, ruhig und besonnen zu bleiben. Er war um die halbe Welt geflogen, um an dieser Konferenz teilzunehmen. Sie konnte nicht von ihm erwarten, dass er alles um sich herum vergaß – tüchtige Ärzte und bedürftige Patienten –, nur um bei ihr zu sein.
Lügen konnte sie aber auch nicht, nicht einmal vor sich selbst. Colin hätte einen Zulu-Dialekt sprechen können, und sie hätte immer noch die internationale Körpersprache eines Mannes verstanden, der
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