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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Higgins
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Surren eines Druckers. Die Geräusche waren wie ein Wiegenlied für sie. Sie wollte ins Büro gehen. Sie wollte Hector sagen, dass er sich tapfer schlug und dass es ihr leidtat. Sie wollte so gern im Büro sein, weg von ihrem Alltag mit Kind, dass es weh tat.
    Sie hatte noch nie Beruhigungsmittel genommen, aber jetzt fragte sie sich, ob sie sich nicht etwas von Grace’ Medikamenten für sich selbst verschreiben lassen sollte.
    »Hector … es tut mir leid.« Jo unterdrückte das Zittern. »Das war unmöglich und absolut unfair. Ich weiß, dass du unter Druck stehst, und ich schätze es sehr, dass du mich vertrittst.«
    »Du musst dich sehen lassen, Boss.« Er klang immer noch verletzt. »Wenn du diesen Kunden verlierst, verlierst du vielleicht auch deinen Job, und falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, geht dann der Stern dieses jungen Mannes gemeinsam mit deinem unter.«
    »Ich komme heute noch rein.« Sie blickte zu Grace’ gebeugtem Kopf, ihrem verfilzten Haar und ihren zu kurzen Jeans. Sie atmete tief durch. Sie würde zur Arbeit gehen, alles hinter sich lassen. Sie würde ein lebhaftes Gespräch mit kreativen Individuen führen und an der Kaffeemaschine über die gestrige Folge von
Law & Order
sprechen. »Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, aber bis mittags bin ich bestimmt da.«
    Als Jo das Telefon zuklappte, erkannte sie rasch drei Dinge.
    Sie erinnerte sich an das vergangene Jahr, als eine der Presseagentinnen ihren zweijährigen Sohn mit ins Büro gebracht hatte. Die Tagesmutter war abgesprungen, und die Angestellte hatte keine Urlaubs- oder Überstunden mehr, die sie nehmen oder abfeiern konnte. Sie hatte den Jungen in einem Konferenzraum mit der
Sesamstraße
geparkt und war dann zu einem Meeting gegangen. Als sie zurückkam, waren die Wände über und über mit einem Edding bemalt. Es hatte fünfzehnhundert Dollar gekostet, den Raum neu streichen zu lassen. Außerdem war er eine Woche lang unbenutzbar gewesen, und auch wenn Jo wie alle anderen der Mutter gegenüber Verständnis vorgegeben hatte, hatte sie außer Hörweite Klartext geredet. Beim nächsten Mal sollte die Frau einen unbezahlten Urlaubstag nehmen und mit dem Kind daheim bleiben.
    Jetzt würde Jo selbst mit einem Kind im Büro erscheinen, mit einem Kind, das theoretisch noch viel schlimmere Dinge anstellen konnte, wenn man ihm nicht den richtigen Stift gab. Und ebenso wie die puterrote, erschöpfte Presseagentin hatte Jo kaum eine Wahl.
    Sie erinnerte sich außerdem lebhaft an den Anblick ihrer Mutter, die jeden Abend mit blutbespritzten Schuhen nach Hause kam und Jo erklärte, es sei zwar nur eine Geflügelverpackungsfabrik, aber die Arbeit brächte mehr Geld als die im Ramschladen, so dass sie ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch und Kleidung für Jo hätte. Und wenn ihre Mutter dabeibliebe, würde sie vielleicht zur Abteilungsleiterin aufsteigen, und dann könnten sie endlich den Linoleumboden in der Küche reparieren lassen.
    Außerdem verstand Jo absolut, warum Kate die Nase voll gehabt hatte und nach Indien abgehauen war. Die große Frage war, warum sie das erst jetzt getan hatte.
    »Sind wir jetzt fertig?«
    Grace stand mit ernsten braunen Augen und einem erdbeerroten Mund vor ihr.
    »Ja, Kleine.« Jo stand auf und nahm Grace’ Jacke von dem lilafarbenen Kleiderständer. Mit einer Hand half sie dem Mädchen hinein. »Ja, wir sind fertig, genauso fertig wie angebrannter Toast.«
    »Ich mag keinen angebrannten Toast.«
    Dinge, die Grace nicht mag: 1. Benitos Makkaroni mit Käse. 2. Angebrannten Toast. 3. Meinen Humor.
    »Nun, ich verwette mein bestes Paar Schuhe, dass es dir dort, wo wir jetzt hingehen, gefallen wird«, sagte Jo.
    »Tante Jessie hat das auch mal gesagt. Und ich habe Tante Jessie gesagt, dass ich Lots o’ Tots nicht mag.«
    »Wie bitte?«
    »Es riecht da so komisch wegen den Babys. Und sie weinen die ganze Zeit.«
    »Grace, wir gehen nicht zu Lots o’ Tots.« Jo warf der Rezeptionistin ein nervöses Lächeln zu und verließ mit Grace die Praxis.
    »Tante Jessie hat mich da
ewig
bleiben lassen.«
    »Ich lasse dich nicht allein, Kleine. Du darfst sogar mit mir zur Arbeit gehen.«
    Grace ging stumm neben ihr die Treppen hinunter. Ihre Schnürsenkel hatten sich gelöst.
Können sich Siebenjährige die Schuhe noch nicht selbst binden?
Unten angekommen, warf Grace ihr einen schüchternen Blick zu. »Arbeitest du auf Bergen?«
    »Äh … nein.« Jo hielt die Tür auf, und sie traten in das helle

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