In Liebe, Rachel
Angelegenheit stimme ich Sam zu. Ich hatte einen Patienten aus L. A., der mich gebeten hatte, seinen Kiefer so zu operieren, dass er in seiner Drag-Queen-Show Judy Garland ähnlicher sähe. So etwas ist mir noch in keinem Entwicklungsland begegnet.«
Kate ignorierte das Gespräch, verdaute immer noch die Neuigkeiten. »Der Anwalt muss die Briefe vertauscht haben.«
»Jo hat das überprüft.« Sarah klemmte sich eine Locke hinters Ohr. »Und Colin, wenn du glaubst, dass das seltsam ist, dann warst du noch nicht in Bangkok.«
»Doch, ich war da schon. Am besten erinnere ich mich daran, wie ich vor dem Großen Palast stand und ein kleiner thailändischer Junge Futter für die Tauben verkaufte. Ich habe einen Beutel genommen, und in den dreißig Sekunden, in denen ich mit ihm sprach, hat er mir meine Uhr, meine Geldbörse und die Schlüsselkarte vom Hotel geklaut. Absolut faszinierend.«
»Die Thais zählen zu den besten Gaunern überhaupt«, fügte Sam hinzu. »Sie sind beinahe so gut wie die Zigeuner in Madrid.«
Kate versuchte, sich zu konzentrieren, während Sam sich durch den Verkehr schlängelte und eine Geschichte aus Madrid erzählte. Warum hatte Rachel Grace nicht ihr anvertraut? Als einzigen Grund konnte sich Kate nur vorstellen, dass Rachel geglaubt hatte, sie würde es vermasseln. Deshalb hatte Rachel sie also zum Fallschirmspringen geschickt, in dem sicheren Wissen, dass dies eine Reihe von Ereignissen auslösen würde, so dass Kate schließlich eine halbe Weltreise entfernt von ihrem Ehemann und den Kindern landen würde, die sie wahrscheinlich gerade aus ihrem Leben strichen.
Was, zur Hölle, treibe ich hier eigentlich?
Sie krümmte sich auf dem Beifahrersitz, versuchte, sich gegen den aberwitzigen Verkehr von Bangalore zu schützen. Tuk-Tuks und Rikschas zogen vorüber. Als sie den Stadtrand erreichten, grasten Kühe am Wegesrand oder liefen gemächlich auf der Straße dahin. Sie fuhren an Haufen von verlassenen Lastwagen vorbei, die am Straßenrand vor sich hin rosteten. Um Kate herum drehte sich das Gespräch um die Fahrkünste von Amerikanern und Südindern und um die Gerissenheit und Genialität von Ersatzteilhändlern in Schwarzafrika. Und um andere Orte und Themen, an denen sie nie gewesen war, zu denen sie nichts beitragen konnte.
Was ein nagendes Gefühl der Panik gewesen war, wuchs sich bei ihrer Ankunft in dem Krankenhaus zu einer atemabschnürenden Panikattacke aus. Die große Menschenmenge, die sich vor dem Gebäude versammelt hatte und beim Eintreffen der Autos näher kam, machte die Sache nur noch schlimmer. Halbwüchsige Jungen kletterten auf die Motorhaube. Frauen schrien etwas in Hindi und hielten ihnen ihre Säuglinge entgegen. Abgemagerte Babys. Babys mit seltsam verformten Füßen. Babys mit Kiefer-Gaumen-Spalten.
Sarah drückte Kates Schulter, spürte ihre Panik, doch sie irrte sich bezüglich der Ursache. »Es ist immer so. Die Neuigkeit, dass die Ärzte kommen, verbreitet sich, und dann bringen die Mütter ihre Kinder, weil sie hoffen, dass die Ärzte sich noch einen und noch einen kleinen Patienten anschauen können.«
Sam parkte den Wagen auf dem mit Gras bewachsenen Seitenstreifen. Er stieg aus und begann, laut zu rufen und zu gestikulieren, dass die Leute den Weg freimachen sollten. Colin und Sarah kletterten vom Rücksitz und hievten die Ausrüstung aus dem Kofferraum. Kate stieg ebenfalls aus, nahm automatisch entgegen, was man ihr in die Hand drückte, und folgte den anderen blind durch die Menge in die Klinik, wo ein Dutzend medizinische Mitarbeiter damit beschäftigt war, zwei Behelfsoperationssäle einzurichten.
Sie stellte alles nach Anweisung ab. Junge Ärzte bellten sich Befehle zu und verfluchten das flackernde Licht, da immer mehr Geräte das Stromnetz überlasteten. Colin dirigierte hochkonzentriert die Anordnung der Instrumente. Sarah war mit unzähligen Formularen beschäftigt. Sam kam mit einer weiteren Ladung Ausrüstung herein und verschwand mit dem Versprechen in einem Hinterzimmer, dort einen mobilen Generator aufzustellen.
Kate stand mitten im Raum und wartete auf Anweisungen, doch sie wurde dauernd von hektisch hin- und herlaufenden Angestellten angerempelt, so dass sie sich nach und nach an einen unauffälligen Platz an der Wand zurückzog. Sie war sich der neugierigen Blicke der Einheimischen, die ihr leuchtend blaues, traditionelles indisches Gewand und ihre blonden Haare musterten, nur zu sehr bewusst.
Sarah arbeitete sich durch das
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