In Liebe, Rachel
mit einem klitzekleinen Wohlstandsbäuchlein versehen. Er sah so … amerikanisch aus und glich so gar nicht den Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, die sie bisher kennengelernt hatte, die keinen besonderen Wert auf ihr Äußeres legten und ständig in Bewegung waren.
So wie Sam, der plötzlich in all seiner großen, dunklen Pracht erschien. »Alles geklärt«, sagte er zu Colin. »Sie können mein Auto haben.«
Sarah erstarrte. »Dein Auto, Sam?«
»Es ist mir furchtbar unangenehm«, erklärte Colin, »aber ich habe Sam gefragt, ob wir sein Auto ausleihen könnten. Einer der beiden Kleinbusse ist mit wichtiger Ausrüstung liegengeblieben. Wir mussten die Fahrt schon zweimal verschieben. So etwas passiert immer wieder.«
»Ich habe mich freiwillig angeboten«, erklärte Sam und musterte Sarah. »Ich habe keine anderen Pläne, also dachte ich, ich könnte mich euch fröhlichen Abenteurern anschließen.«
»Es ärgert mich.« Colin fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Irgendetwas kommt immer dazwischen. In diesem Fall können wir alle Personen in den beiden Autos unterbringen, aber nicht die ganze Ausrüstung. Und wir sind so spät dran, dass wir, wenn wir darauf warten, dass nach Bangalore-Zeit ein anderer Wagen kommt, nicht mehr so viele Kinder behandeln können.«
Kate spürte unterschwelliges Schuldbewusstsein in seinem Redeschwall, doch sie war immer noch zu benommen, um sich darüber eingehendere Gedanken zu machen.
Sam deutete auf seinen weißen Mietwagen, der im Leerlauf vor dem Hotel stand. »Sarah, du und Dr. O’Rourke, ihr könnt mit mir fahren. Ganz wie in alten Zeiten.«
Kate fragte: »Gibt es auch noch Platz für mich? Ich würde gern das wahre Indien sehen.«
Sam, Colin und Sarah tauschten rasch einen Blick, eine wortlose Verständigung, die ihr Punjabi-Gewand vom Basar, ihr feuchtes zerzaustes Haar und ihre Unerfahrenheit umfasste. Sie hatte solche Blickwechsel schon früher gesehen. Bei Cocktailpartys zum Beispiel, wenn sie auf die Frage: »Und was machen Sie beruflich?«, unverblümt geantwortet hatte: »Ich bin Hausfrau.«
»Sind Sie sicher, dass Sie mitkommen wollen, Kate?«, fragte Colin. »Es ist sehr rückständig dort. Sie werden Dinge sehen, die Sie lieber nicht sehen wollen. Und wir werden blitzschnell arbeiten, um alle Patienten zu versorgen.«
Sarah packte sie am Ellbogen und zog sie zu sich. »Kate könnte mir helfen. Ich kann immer ein zusätzliches Paar Hände gebrauchen.«
»Nun …« – Colin zuckte mit den Schultern und deutete zur Rezeption – »… dann schaue ich mal, was uns noch aufhält.«
Sobald Colin außer Hörweite war, wandte sich Sam an Sarah. »Bist du eigentlich noch zu retten?«
»Ich?« Sarahs Griff um Kates Ellbogen verstärkte sich. »Bist
du
denn noch zu retten, Sam? Musst du dich denn in alles einmischen …«
»Du machst zum ersten Mal seit Jahren Urlaub und willst nach ein paar Tagen schon wieder arbeiten?«
»Es ist für …«
»… einen guten Zweck, ich weiß. So ist es immer.« Sam krempelte seine zerknitterten Hemdsärmel auf. »Hast du schon mal in Erwägung gezogen, einfach nur irgendwo ruhig zu sitzen, an einem Drink zu nippen und vielleicht noch mit dem Schirmchen darin zu spielen?«
»Das habe ich einmal gemacht. Der paraguyanische Zuckerrohrlikör, erinnerst du dich? Danach war ich tagelang bewusstlos.«
»Du übertreibst. Und du warst sehr lustig an diesem Abend.«
Kate stand wie bei einem Tennismatch daneben und beobachtete den hitzigen Schlagabtausch mit wachsendem Interesse.
»Du brauchst ja keinen Alkohol zu trinken«, beharrte Sam. »Sondern einfach nur am Strand zu liegen, die Sonne zu genießen.«
Sarah kniff sich in den sommersprossigen Unterarm. »Ich habe nicht deine Haut. In kürzester Zeit wäre ich ein Brathähnchen.«
»Du arbeitest dich lieber zu Tode.«
Sie neigte den Kopf und brachte damit beinahe den Bleistift zum Absturz, der ihre wilde Mähne im Nacken zusammenhielt. »Dir ist schon klar, dass ich bereits Eltern habe? Und sieben Brüder?«
Sam stützte die Hände auf die schlanken Hüften. »Dann solltest du erst recht wissen, wie man sich entspannt.«
»Wir gehen später ein Bier trinken, in Ordnung?«
»Oh, ich bin sicher, dass der gute Doktor dich für diesen Abend schon verplant hat und für alle anderen auch.« Sam warf Colin einen Blick zu, der gerade durch die Lobby auf sie zukam. »Gib ihm noch ein paar Tage, und er wird dich vielleicht ganz aus dem Entwicklungshilfegeschäft
Weitere Kostenlose Bücher