In Liebe, Rachel
entführen.«
Colin, der die Spannung zwischen Sarah und Sam gar nicht bemerkte, klatschte in die Hände. »Gute Nachrichten! Wir können aufladen und dem Van folgen.« Er reichte Kate ein Stück Papier. »Für Sie. Ich habe gehört, wie man an der Rezeption die Nachricht entgegengenommen hat, und dachte mir, dass Sie sie sicher sofort haben wollen.«
Kate atmete zögernd ein, als sie den Zettel entgegennahm. Sie hielt ihn wie eine Hostie in der Hand. Erleichterung durchflutete sie. Wie dumm sie gewesen war! Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Fünfzehn Ehejahre konnten doch nicht durch eine Woche Trennung erschüttert werden. Natürlich würde Paul sie noch einmal anrufen, gleich jetzt, und sich entschuldigen. Vielleicht würde er sogar versprechen, doch noch herzukommen.
Die Nachricht sicher in der Hand, folgte sie der Gruppe durch die Hoteltüren in die feuchte Hitze. Sie warf ihre Tasche ins Auto, setzte sich neben Sam auf den Beifahrersitz und entfaltete andächtig das Papier.
Enttäuschung schmetterte sie nieder.
Sarah packte sie plötzlich an der Schulter. »Kate? Ist alles in Ordnung?«
Sie schluckte, nickte und faltete das Papier wieder zusammen. »Es ist nichts. Ich dachte, es wäre eine Nachricht von daheim.« Sie schob das Papier in die Tasche zu ihren Füßen, gemeinsam mit ihren Hoffnungen. »Sie ist von Jo. Keine weiteren Erklärungen. Sie bittet mich, sie anzurufen.«
»Oh!« Sarah stöhnte. »Dann läuft es sicher nicht gut.«
»Was läuft nicht gut?«
Sarah sagte hastig: »Sam, kennst du die Route?«
»Natürlich kenne ich die verdammte Route.«
Sam reihte sich in den Verkehr ein und drängte sich hinter den weißen Kleinbus mit den anderen Ärzten.
Kate wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Und es hatte diesmal nichts mit ihrer Ehe zu tun.
»Sarah, was meinst du damit, wenn du sagst, dann läuft es sicher nicht gut.«
»Nichts.« Sarah beugte sich zwischen den Vordersitzen nach vorn und blickte durch die Windschutzscheibe. »Es ist grün. Kate, hilf Sam lieber wegen der Ampelfarben.«
»Du bist eine schlechte Lügnerin«, murmelte Kate.
»Ich darf es dir nicht sagen. Pass auf, Sam, die Rikscha!« Sarah hielt sich am Vordersitz fest, als Sam dem Rikschafahrer auswich. »Ach, was soll’s? Jo ist weit weg. Und vielleicht kannst du ja helfen.«
»Helfen?«
Ich kann nicht einmal meine eigene Ehe retten.
»Wie helfen?«
»Es geht um Grace, Kate. Jo hat die Vormundschaft für Grace bekommen.«
»Wie bitte?«
»Ich bin mir sicher, Rachel hatte ihre Gründe dafür.«
»Aber …« Kate versuchte, ihre eigenen Probleme abzuschütteln und sich zu erinnern, was Rachel für Grace geplant hatte. »Aber warum ist Grace nicht bei ihren Großeltern geblieben?«
»Die sind offenbar ziemlich schlecht dran. Gesundheitliche Probleme.«
»Aber warum hat Rachel ausgerechnet Jo …«
»Du und Jo solltet euch wirklich einmal in Ruhe unterhalten. Ihr versteht euch einfach nicht. Vertrau Rachel, Kate, ich bin mir sicher, dass sie sich sehr genau überlegt hat, wer für ihre Tochter sorgen …«
»Etwa so, wie sie es sich überlegt hat, als sie sich mit dem Sperma eines Fremden befruchten ließ?«
»Wow!« Unter lautem Hupen schnitt Sam einem anderen Fahrer den Weg ab. »Hat in meinem Auto gerade jemand ›Sperma‹ gesagt?«
»Rachel hatte eine Tochter«, erklärte Sarah, »die sie durch künstliche Befruchtung bekommen hat.«
Sam schüttelte den Kopf. »Ihr Amerikaner.«
»Das ergibt doch keinen Sinn!« Kate hielt sich am Armaturenbrett fest, um nicht bei jeder Kurve gegen die Beifahrertür zu prallen. »
Ich
hätte es doch eigentlich sein müssen! Ich hätte Grace bekommen und Jo hätte aus einem Flugzeug springen sollen!«
Dann hätte sie in gesegnetem Unwissen und mit der angenehmen, wenn auch nicht besonders aufregenden Routine ihrer Ehe weitermachen können.
»›Ihr Amerikaner‹? Was soll das denn heißen?« Sarah packte den Vordersitz, um besser mit Sam sprechen zu können. »Ist künstliche Befruchtung schlimmer als … sagen wir mal … die Witwenverbrennung bei den Hindus? Oder die malawische Tradition der sexuellen Reinigung, bei der ein Mann – nicht der zukünftige Ehemann – vor der Hochzeit mit der Braut Sex hat, weil Sperma angeblich heilende und reinigende Kräfte …«
Sam hob einen Finger. »Die Wahl macht den Unterschied, Sarah. Die Wahl.«
»Colin, hilf mir doch«, sagte Sarah und gab ihm einen Klaps auf den Arm.
»In dieser
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