In Liebe, Rachel
ihre Arbeit voller Energie und Enthusiasmus, hatten kaum Angst vor dem, was sie erwartete. Sehnten sich nach der Dankbarkeit, die sicherlich auf sie herabregnen würde. Wollten die Dinge ändern, waren eifrig wie kleine Hunde, aufgeregt und stolz auf ihr Schul-Multikulti-Wissen. Kein Wunder, dass so viele Menschen auf anderen Kontinenten die Amerikaner nicht mochten. Jeder wusste, dass man kleine Hunde öfter mal mit einer zusammengerollten Zeitung zurechtweisen musste, bis sie lernten, sich mit angemessener Demut zu benehmen.
Warum hatte sie das bei Colin damals in Paraguay nicht erkannt? Wahrscheinlich war auch sie noch zu neu im Geschäft gewesen. Frisch und entschlossen und ohne Furcht zuzugeben, dass sie Angst hatte. Doch jetzt, da sie in seinem schicken Büro stand und an die Gespräche zurückdachte, die langen Unterhaltungen in einer Lehmhütte in Paraguay, an seinen wachsenden Ärger über die Mütter, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollten, an seine Ungeduld, die sie für Hingabe, Leidenschaft, Antrieb gehalten hatte – jetzt sah sie nur allzu deutlich, dass er alle Anzeichen von Wohltätigkeitsmüdigkeit schon vor langer Zeit gezeigt hatte.
Sie hatte die Augen davor verschlossen. Es einzugestehen hätte das vollkommene Bild von ihm zerstört, das sie liebte, das Bild von dem heldenhaften Chirurgen, der das Leben eines Jungen in einer Lehmhütte im Regenwald rettete.
Er stellte sich vorsichtig hinter sie. So nahe, dass sie seine Wärme spürte, seine Persönlichkeit. »Ich bin nicht stolz darauf, wie ich dich damals behandelt habe. Ich hätte es offiziell beenden müssen. Aber so leicht war es nicht. Es gefiel mir, wie du mich ansahst. Ich hielt mich an dem Wissen fest, dass irgendwo da draußen ein Mensch, den ich respektierte, mich immer noch für einen Helden hielt.«
Für Werai bist du noch ein Held.
»Es war auch deshalb schwer, weil ich wusste, dass es dir anders erging als mir. Schon damals ahnte ich, dass du in der Entwicklungshilfe bleiben würdest. Du würdest ihr nicht desillusioniert wie alle anderen den Rücken kehren. Du hast Wohltätigkeit nie als Arbeit gesehen. Für dich ist sie eine Lebenseinstellung.«
»Ich werde dafür bezahlt, wie jeder andere auch.« Sarah schluckte einen Kloß in der Kehle hinunter. »Und ich war bestimmt kein Engel. Ich habe Whiskey gegen eine sichere Weiterfahrt eingetauscht. Und ich habe noch Schlimmeres erlaubt …«
»Du hast niemals aufgegeben. Kannst du dir vorstellen, was du in einem Jahr verdienen könntest, wenn du als private Krankenschwester arbeiten würdest?«
»Es geht also nur ums Geld?«
»Ja.«
Ohne das geringste Zögern. Sie starrte ihn an. In dem unbarmherzigen Licht sah sie sein perfekt geschnittenes Haar, die barbierweichen Wangen, das makellose Gewebe seines dunkelblauen Anzuges. Ging es wirklich nur ums Geld? Modellierte er deshalb perfekte Körper für die Frauen, die es sich leisten konnten? Setzte er deshalb Implantate ein? Sie fragte sich, ob Colin, während sie sich liebten, je daran gedacht hatte, einen halbmondförmigen Schnitt unter eine ihrer winzigen Brüste zu setzen und ein Implantat hineinzuschieben, um die Proportionen auszugleichen.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Niemals hätte sie nach Los Angeles kommen dürfen.
»Schau mich nicht so an, Sarah. Du weißt, dass Geld vieles bewirken kann. Es erlaubt mir, zwei Wochen im Jahr für The Smile Train zu arbeiten.« Ein Muskel zuckte in seiner Wange. »Geld erlaubt es mir, etwas zu bewirken …«
»Colin, warum hast du mich gebeten hierherzukommen?«
»Ich wollte, dass du das alles hier siehst.«
»Warum? Wir hatten uns in Bangalore verabschiedet. Es war vorbei. Es ging nicht. Ich kehrte in mein Leben zurück und du in deines«, sagte Sarah und deutete auf das Foto auf dem Schreibtisch, das sie nun von vorn sehen konnte.
Sie war eine Asiatin, wahrscheinlich aus Thailand oder Vietnam, und sehr schlank. Sie trug ein schwarzes, elegantes Kleid. Das Foto war von schräg oben aufgenommen worden, und sie blickte nicht direkt in die Kamera. Das Haar fiel ihr wie ein blauschwarzer Wasserfall über die Schultern. Colin stand hinter ihr, ein Glas Champagner in der erhobenen Hand, Lachfalten in den Augenwinkeln. Die Frau lachte ebenfalls, mit unglaublich weißen Zähnen hinter dem roten Lippenstift.
Sie sah sympathisch aus. Aufgeschlossen. Es schien ihr gleichgültig zu sein, dass sich beim Lachen ihre Nase kräuselte.
»Ich war noch nie gut im
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