In Liebe, Rachel
Abschiednehmen«, erklärte er und drehte unauffällig das Foto um. »Und du bist eine Frau, die man nicht so leicht vergisst.«
Sarah fühlte sich aber wie jemand, den man leicht vergessen konnte. In ihren bequemen Baumwollkleidern fühlte sie sich wie ein kleiner brauner Zaunkönig.
Diese
Frau wusste bestimmt, welche Kleider man in der Praxis eines plastischen Chirurgen trug. Sie wusste bestimmt, wie man sich in einem Country Club verhielt.
Leise sagte er: »Du musst mich für ein komplettes Arschloch halten.«
»Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, was ich denken soll.«
»Ihr beide seid die besseren Hälften von mir. Ich bin zu euch beiden nicht fair. Ich hatte meine Entscheidung getroffen, ohne Vorbehalte, bis du mich überrumpelt hast. Plötzlich war ich wieder in deiner Welt, wieder zurück in Paraguay. Habe Entscheidungen neu überdacht, die ich getroffen hatte und von denen ich mir nicht sicher bin, dass sie die besten waren.«
Sam hatte recht gehabt. Der Sex zwischen ihr und Colin war schnell, heiß und unvergesslich gewesen. Abenteurersex. Mehr nicht.
Sie erschauerte bei der Erkenntnis, dass sie so viel Zeit verschwendet hatte … für eine Fantasie. »Ich weiß immer noch nicht, warum du mich gebeten hast herzukommen.«
»Ich wollte sehen, ob das alles real ist, ob wir real sind … in meiner Welt. Hör zu!« Aufgeregt ging er auf und ab. »Geld ist nicht immer schlecht. Es ist notwendig, es ist das Öl, das die Maschine am Laufen hält, in jedem Geschäft.«
Schon wieder Geld!
»Ich meine … wenn man Geld hat, kann man es in jede gewünschte Richtung lenken.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und jede Strähne fiel an ihren Platz zurück. »Das, was du tust, ist nichts für mich. Ich kann nicht Monate, Jahre in Entwicklungsländern verbringen und die Hilfe leisten, die so viele Menschen benötigen. Aber ich kann die Mittel für andere zur Verfügung stellen, die dann an meiner statt handeln. Das ist ein Grund, warum ich in diesem Geschäft arbeite, Sarah. Nicht, damit ich einen Jaguar fahren oder eine Villa in Beverly Hills bewohnen kann, sondern damit ich das Geld dafür verwenden kann, wirklich etwas zu bewirken. Ich könnte jemanden gebrauchen, der mir dabei hilft, das Geld auszugeben.«
Himmel, hilf! Er versuchte, sie mit einer Spende zu bestechen. »Colin, du weißt, für wen ich arbeite. Du kannst so viel spenden, wie du willst …«
»Ich biete dir nicht an, deine Arbeit zu finanzieren, Sarah, sondern etwas Größeres. Ich biete dir die Chance, diejenige zu sein, die das Geld verteilt, diejenige zu sein, die es eintreibt und dann an die Menschen weitergibt, die es wirklich benötigen.«
»Wie bitte?«
»Das machen die reichen Frauen hier«, sagte er mit einer Handbewegung in Richtung Los Angeles zu ihren Füßen. »Sie gründen Wohltätigkeitsorganisationen, veranstalten schicke Mittagessen, werben Gelder ein. Sorgen dafür, dass das Geld sinnvoll ausgegeben wird, dass es an die richtigen Stellen gelangt.«
Sie deutete auf das Foto. »Klingt wie ein Job, der zu ihr passt.«
Ein Muskel zuckte an seiner Wange. Er war blass geworden. »Ich hatte geplant … doch wenn du mir jetzt sagen würdest, du könntest dir ein solches Leben vorstellen … wenn du mir sagen würdest, dass du nach allem, was du heute erfahren hast, immer noch Superman in mir siehst …« Er lächelte verlegen, als er die Arme ausbreitete, ein großer Umriss gegen den südkalifornischen Himmel. »Wenn du das könntest, Sarah, würde sich alles ändern.«
Sie schaute nicht zu dem Foto hinüber und spürte dennoch den Blick der Frau auf sich ruhen, den Blick der eleganten, lachenden Frau mit dem Glas Champagner in der Hand, die offensichtlich Spaß bei einem offiziellen Anlass hatte. Es gäbe eine Menge offizieller Anlässe als Frau eines so erfolgreichen Arztes. Wohltätigkeitsveranstaltungen, Fundraising für Kliniken, Abende in der Oper, Dinnerveranstaltungen für Kollegen, Teilnahme an den Veranstaltungen wichtiger Patienten. Sie konnte es plötzlich vor sich sehen, als wäre sie selbst die Frau in dem eng anliegenden schwarzen Kleid, die an einem Tisch saß, gekochtes Hühnchen aß und die Gäste mit Erzählungen aus Afrika, Indien und Südamerika unterhielt, ihnen vom Guineawurm erzählte und davon, dass Polio in vielen Ländern immer noch auf der Tagesordnung stand ebenso wie viele andere tropische Krankheiten, die eigentlich schon vor langer Zeit hätten ausgerottet werden sollen. Man würde
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