In Liebe und Tod
waren hart wie Stahl, sie ließ nichts als verschmierte, rote Handabdrücke auf dem Weiß zurück.
Denn an ihren Händen klebte frisches Blut.
Sie fragte sich, wessen Blut das war, während sie nach ihrer Waffe griff. Doch in ihrem Halfter steckte nur ein kleines Messer, auch das war blutverschmiert. Sie erkannte es - natürlich. Schließlich hatte sie damit vor Jahren ihren eigenen Vater totgehackt.
Und wenn es gut genug für ihn gewesen war, taugte es auch jetzt.
Sie nahm es in die Hand und lief langsam an der weißen Wand entlang.
Ob die Babys wohl je aufhörten zu schreien, überlegte sie. Auch wenn sie ihnen nicht verdenken konnte, dass sie schrien. Denn schließlich wurden sie gewaltsam aus dem angenehmen, warmen Dunkel in das kalte, harte Licht der Wirklichkeit gezerrt. Blutverschmiert und unter Schmerzen, während auch ihre Mütter schrien.
Ein wirklich harter Start.
Die Wand machte eine Biegung, sie folgte ihr, während die Box in einen schmalen Tunnel überging. Ähnlich wie in der Pathologie. Geburt und Tod, Anfang und Ende der menschlichen Reise, dachte sie.
Abermals bog sie um eine Ecke und entdeckte Mavis, die lang ausgestreckt vor ihr auf dem Boden lag.
»He! He!« Doch als sie auf sie zustürzte, winkte ihr Mavis lächelnd zu.
»Es geht mir gut, es geht mir prima, ich fühle mich einfach wunderbar. Aber ich behalte den Braten noch so lange im Ofen, bis er fertig ist. Geh also besser, und hilf den anderen.«
»Was für anderen? Wo?«
»Das ist die große Frage, nicht? Auf die du besser eine Antwort findest, bis ich so weit bin. Du kannst dich doch noch an alles aus dem Vorbereitungskurs erinnern?«
»Klar.«
»Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Bald wird es so weit sein, Dallas. Sieh bloß zu, dass du pünktlich bist. Tandy verlässt sich nämlich ebenfalls auf dich.«
In diesem Augenblick flog ein weißer Storch dicht über sie hinweg. In seinem Schnabel baumelte ein weißes Tuch, Eve musste sich ducken, damit er ihr damit nicht gegen den Schädel schlug.
»Da kommt schon wieder eins«, stellte Mavis lachend fest. »Vielleicht ist es ja das von Tandy. Die Pflicht ruft. Sieh zu, dass du es noch erwischst.«
Eve setzte sich in Bewegung; als sie noch einmal über ihre Schulter sah, stand Mavis auf dem Kopf und stemmte ihre Füße gegen die weiß gestrichene Wand. »Ich behalte es noch so lange im Ofen, bis du fertig bist.«
»Das kann einfach nicht richtig sein«, murmelte Eve, rannte aber weiter dem Vogel hinterher.
In einer Nische in der Wand war Natalie Copperfield an einen Tisch gefesselt. Aus ihren blutunterlaufenen, geschwollenen Augen liefen Tränen, der blaue Gürtel eines Morgenrocks war fest um ihren Hals geschlungen und sie stieß schluchzend aus: »Es kommt einfach nicht das Richtige heraus. Es kommt einfach nicht das Richtige heraus. Es ist mein Job dafür zu sorgen, dass es stimmt. Sie haben mich deshalb umgebracht, aber trotzdem muss ich dafür sorgen, dass das Ergebnis stimmt.«
»Sie müssen mir mehr geben als das.«
»Es ist alles da, es ist alles in den Zahlen, die sich nicht richtig addieren lassen. Haben Sie sie noch nicht gefunden? Haben Sie sie etwa noch nicht entdeckt?«
Eve erreichte eine Tür, riss an dem Griff und trat dagegen, als sie sich nicht öffnen ließ. Dahinter war der nächste weiße Raum, und Tandy war auf einem Geburtsstuhl festgebunden, wie er auch bei dem Kurs verwendet worden war.
Die Laken waren blutgetränkt, ihr Gesicht glänzte vor Schweiß und obszöne Zuckungen liefen durch ihren aufgequollenen Bauch.
»Das Baby kommt«, stieß Tandy keuchend aus. »Ich kann es nicht mehr aufhalten.«
»Wo ist der Arzt? Wo ist die Hebamme?«
»Ich kann es nicht mehr aufhalten«, wiederholte sie. »Sie müssen sich beeilen.«
Eve lief eilig auf sie zu, doch im selben Augenblick verschwand die junge Frau.
Unter ihren Füßen öffnete sich der Boden, und während sie fiel, hörte sie neugeborene Babys weinen und gebärende Mütter schreien.
Sie landete hart auf ihrem Arm und hörte, wie der Knochen brach. In dem Zimmer war es kalt, entsetzlich kalt, und es war in ein schmutziges, rotes Licht getaucht.
»Nein.« Erschaudernd stützte sie sich auf den Händen und den Knien ab. »Nein.«
Er lag in einer Lache seines eigenen Bluts, desselben Bluts, das von ihren Händen und dem kleinen Messer tropfte, das sie immer noch umklammert hielt.
Als sie ihren Vater ansah, drehte er den Kopf, sah sie aus seinen toten Augen an und stellte
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