In Liebe und Tod
ihm einen Kick verschafft. Sonst hätte er nicht ihre Gesichter sehen müssen, als er sie getötet hat. So wurde es intim. Nicht sexuell, aber intim. Außerdem hat er ihnen das Klebeband von den Mündern abgemacht, bevor er ihnen die Hälse zugezogen hat. Das war ein zusätzlicher Schritt. Es gibt einem ein Gefühl von Macht zu sehen und zu hören, wie man dafür sorgt, dass jemand stirbt. Er hätte sie auch auf alle möglichen anderen Arten töten können, weshalb also hat er diese Methode gewählt?«
Ihre Miene wurde völlig ausdruckslos, als sie auf die
Bilder sah. »Weil man es in seinen eigenen Muskeln, in seinen eigenen Händen spürt. Weil man so das Keuchen und Nach-Luft-Ringen der Opfer hört. Ja, das Vorgehen unseres Täters deutet durchaus auf Jähzorn hin, vor allem aber auf den Wunsch nach Macht.«
Sie fuhr mit ihrer Arbeit fort und war nicht überrascht, als der Kater Roarke in dessen Arbeitszimmer folgte, denn dort würde ihm in den nächsten Stunden sicher größere Aufmerksamkeit zuteil.
Sie studierte die Daten, die Peabody geschickt hatte, und dachte, dass die Nachbarn aus der Jane Street kaum verdächtig waren. Schließlich hätte Copperfield sich die Kosten und die Mühe des Einbaus eines neuen Schlosses sparen können, wenn ihr potenzieller Gegner sie sich einfach im Flur oder im Fahrstuhl hätte schnappen können.
Auch Bysons Nachbarn passten nicht ins Bild. Der Grund für diese Morde lag bei Copperfield und nicht bei ihrem Freund.
Internationale Konten, dachte Eve. Damit hatte sich Natalie befasst. Ob vielleicht irgendein schillernder Klient hinter der ehre nwerten Fassade Drogen-, Waffen— oder Menschenschmuggel betrieben hatte oder immer noch betrieb? Schließlich waren solche Geschäfte äußerst lukrativ.
Sie hörte sich noch einmal die Gespräche zwischen beiden Opfern an, beobachtete die Gesichter, lauschte auf die Stimmen, hörte Aufregung, Betroffenheit und Schock, aber kein Entsetzen und auch keine echte Angst.
Hätten sie nicht Angst gehabt, wenn es bei dem, was sie herausgefunden hatten, auch um Tote gegangen wäre?
Alles deutete für Eve auf ein Schreibtischverbrechen hin. Auch wenn es sicher um viel Geld ging, hatten die Tät e r ihres Wissens nach an irgendwelchen Schreibtischen gesessen und keine Gewalt verübt.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie trat an die Tür zu Roarkes Büro. Noch während sie die Stirn in Falten legte und sie ihn noch gar nicht sah, fragte er hinter ihrem Rücken: »Suchst du mich?«
»Himmel, du machst weniger Lärm als dieser verdammte Kater.«
»Wobei diese fette Walze nicht gerade leise ist. Komm ins Bett.«
»Ich wollte nur noch -«
»Zwanzig Stunden reichen.« Wieder nahm er ihren Arm. »Hast du den Beschlagnahmungsbefehl gekriegt?«
»Vor einer halben Stunde. Ich will nur noch -«
»Mach morgen weiter, ja?«
»Okay, okay«, gab sie sich geschlagen, es gelang ihm, sie ohne jede Mühe aus ihrem Büro zu ziehen, da sie sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen hielt. »Ich habe mich nur gefragt, wie viele Klinken einer deiner Untergebenen putzen müsste, bevor er an dich herankäme.«
»Käme auf den Untergebenen und den Grund für seinen Wunsch nach einem Treffen an.«
»Aber wer auch immer aus welchem Grund auch immer an dich herankommen wollte, käme an Caro nicht vorbei, richtig?«, meinte sie, da sie wusste, wie verlässlich seine Assistentin war.
»Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Selbst wenn dieser Untergebene sich einen guten Grund ausdenken würde, wüsste Caro mit Bestimmtheit, ob du einen Termin mit diesem Menschen hast.«
»Auf jeden Fall.«
»Und jedes hohe Tier bei Sloan, Myers und Kraus hat eine Caro, stimmt’s?«
»Es gibt nur eine Caro, und die gehört schon mir. Aber ja, sie haben sicher jeder einen Assistenten oder eine Assistentin, und ich gehe davon aus, dass er oder sie seine Arbeit ausgezeichnet macht.«
Im Schlafzimmer zog sie die Stiefel aus und kämpfte sich so mühsam aus den Kleidern, dass sie erkennen musste, dass sie aus reiner Sturheit noch nicht zusammengebrochen war.
»Morgen werde ich in aller Herrgottsfrühe in die Firma fahren und mir diese verdammten Unterlagen holen«, murmelte sie. »Diese Arschlöcher von Anwälten haben mich einen ganzen, verdammten Tag gekostet. Am liebsten würde ich den Kerlen dafür in die Hintern treten.«
»Richtig, Schatz.«
»Ich höre deutlich, dass du grinst.«
Sie glitt neben ihm ins Bett und ließ es zu, dass er sie an seinen warmen Körper zog.
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