In Liebe verführt
meisten Küsten so«, bestätigte er. »Die Bretagne ist wirklich höllisch, und bei manchen der Inseln im Ärmelkanal ist es auch nicht besser.«
»Warum fährst du nach Sark und nicht nach Jersey oder Guernsey, sind die nicht größer?«
Er war am Bücherregal stehen geblieben und stellte den Band von Dr. Johnson’s Wörterbuch wieder richtig hin, den Meg so eilig zwischen die anderen Bücher geschoben hatte. Ein Lächeln spielte um seinen Mund, und ein amüsiertes Glitzern erschien in seinen Augen. »Neugierig, Miss Meg?«
»Überrascht dich das?«, gab sie scharf zurück.
»Nicht mehr als deine Fähigkeit, die Ruhe zu bewahren«, sagte er. »Ich würde erwarten, dass eine Frau in deiner Lage irgendwelche Anzeichen von Unbehagen zeigt, aber du bist angriffslustig wie ein Foxterrier.« Seine Augen wurden etwas schmaler. »Wer bist du, Miss Barratt?«
»Und wer bist du, Kapitän Cosimo?«, gab sie zurück. »Wenn du mir antwortest, werde ich dir ebenfalls antworten.«
»Ich, mein liebes Fräulein, bin der Kapitän eines Schiffes auf dem Weg nach Sark«, erklärte er ihr mit einem kleinen Lachen in der Stimme.
Meg schüttelte den Kopf und gab der Versuchung nicht nach, auf dieses Lachen einzugehen. »Nicht die richtige Antwort, Kapitän.«
Seine Verbeugung war reinste Satire. Er ließ sie allein mit ihrem Buch, dem leeren Tablett auf dem Tisch und den leeren Wasserkrügen im Bad. Und draußen schien die Sonne. Sie spürte, wie ihre Wärme sie im Nacken berührte, weil sie nun durchs Fenster schien. Ihre Beine zuckten. Sie sah, wie ihr rechter Fuß sich scheinbar aus eigenem Antrieb bewegte. Dann der linke.
Gus hüpfte zur geschlossenen Tür. »Wiederseh’n«, schnarrte er. Das war ein Befehl, keine Feststellung.
Meg stand auf und ging zur Tür, um sie zu öffnen. Der Papagei hopste über die Schwelle und auf eine Treppe zu, die am Ende des Flurs zu sehen war. Die Sonne schien durch eine Öffnung oberhalb herunter, und Meg konnte das Meer und die frische Luft riechen. Hinter ihr lag die ungelüftete Enge eines Raums, in dem sie schon viel zu viel Zeit verbracht hatte. Sie zog die Tür hinter sich zu und folgte Gus hinauf zum Sonnenlicht.
Die Männer an Deck waren mit den verschiedensten Dingen beschäftigt, manche taten auch einfach gar nichts. Einige flickten Segel oder reparierten Seile, einige sonnten sich ohne Hemd. Ein Matrose in einer lockeren, roten Jacke spielte Gitarre. Andere wuschen in großen Holzzubern Wäsche und sangen dabei, während die übrigen schlicht auf dem Deck verteilt schliefen. Das Schiff dümpelte träge auf dem glatten, blauen Wasser, und Möwen kreisten kreischend über ihnen am Himmel.
Meg stand da und betrachtete die Szene, bemerkte Blicke, die zwar eindeutig neugierig oder sogar abschätzend waren, aber keinesfalls beleidigend wirkten. Sie lächelte zögernd, und ein oder zwei Männer tippten sich vorsichtig zum Gruß mit der Fingerspitze an die Stirn, fast als würden sie salutieren. Sie schaute sich nach Cosimo um und entdeckte ihn auf dem Oberdeck, wo er auf dem Boden saß, an die Reling gelehnt und mit geschlossenen Augen der Sonne das Gesicht zukehrte. Ein Bild der Entspannung.
Sie ging quer über das Hauptdeck, wo sich die glatten, gut gescheuerten Bohlen an ihren bloßen Füßen ganz weich anfühlten. Meg lief an ein paar Matrosen vorüber, die über die Reling hinweg angelten, und stieg die kurze Treppe zum Oberdeck hinauf. Am Steuerruder stand niemand, es war nur festgebunden. Ein paar junge Männer, die etwas förmlicher als die Matrosen unten gekleidet waren – soweit man Kniehosen und Hemd förmlich nennen konnte –, saßen dem Kapitän gegenüber an der anderen Seite des Decks und spielten Karten. Sie sprangen auf, als Meg erschien.
Sie bedeutete den Männern, sich wieder zu setzen, duckte sich unter dem fest zusammengeschnürten Segel hindurch und ging hinüber zu der Stelle, wo Cosimo bequem auf einer Rolle Seil saß und anscheinend gar nicht bemerkt hatte, dass sie heraufgekommen war. Als ihr Schatten ihn traf, öffnete er jedoch die Augen.
»Hallo Miss Meg«, sagte er und lächelte lässig. »Du hast dich also doch noch entschlossen, an die Luft zu kommen.«
»Gus wollte an Deck«, sagte sie.
Er lachte. »Und wir alle wissen, dass Gus nicht in der Lage ist, ohne Begleitung irgendwohin zu gehen.«
Sie lächelte einlenkend. »Ich gebe es zu. Ich litt unter akutem Kajütenfieber.«
»Nun, dann setz dich neben mich.« Er rückte ein wenig auf der
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