In Liebe verführt
Blick übers Wasser schweifen und betrachtete den schwachen Schatten der Insel Sark in etwa zwei Meilen Entfernung. In der von Mondlicht erhellten Nacht war sie nur als Konturlinie zu erkennen. Er konzentrierte seinen Blick auf das Meer um die Insel herum und den viel sagenden weißen Schaum auf den Wellen, die sich an den Felsen brachen. Ein kleines Lächeln zuckte um seine Lippen.
Er senkte das Fernglas. »Mike, halt sie stetig auf diesem Kurs, ich gehe ein paar Minuten unter Deck. Ruft mich, wenn sich irgendetwas ändert.«
»Aye, Sir«, sagte der Steuermann, ohne den Blick von den gebauschten Segeln über ihren Köpfen abzuwenden.
In Windeseile wandte sich Cosimo in Richtung des Hauptdecks. Meg verfolgte, wie er die Luke erreichte und unter Deck verschwand. Meg zögerte, ob sie ihm folgen sollte. Sie hatte jenes kleine Lächeln gesehen. Es war absolut nicht humorvoll gewesen, sondern so finster wie ein Lächeln, das man sich auf dem Gesicht Mephistos hätte vorstellen können, wenn er eine Seele gewonnen hatte.
Schließlich machte sie sich aber doch mit entschlossenen Schritten auf den Weg unter Deck. Die Kajütentür stand auf, und Cosimo war konzentriert über den Tisch mit den Seekarten gebeugt, ohne Notiz von Gus zu nehmen, der nun aufgeregt auf der langen Stange in seinem offenen Käfig hin und her tänzelte, wobei er alle paar Minuten ängstliche kleine Quäker ausstieß.
Meg betrat die Kajüte leise, weil sie den konzentriert arbeitenden Kapitän nicht stören wollte, aber er war nicht so versunken, wie sie glaubte. »Würdest du bitte das rote Tuch über Gus’ Käfig legen, Meg?«
Sie schaute sich um und entdeckte ein Stück karmesinroter Seide auf der Bank am Fenster in der Nähe des Käfigs. Als sie es in die Hand nahm, legte Gus sofort den Kopf schief, sah sie an und sagte deutlich: »Gut’ Nacht… Gut’ Nacht… Armer Gus.«
»Armer Gus«, stimmte sie ihm zu und drapierte das Tuch über den Käfig. »Soll ich die Käfigtür zumachen?«
»Nein«, erwiderte Cosimo, immer noch ohne aufzusehen. »Er mag es nicht, eingesperrt zu sein. Er ist nur gern in seinem Käfig, wenn es unruhig wird.«
Meg nickte. Es schien ihr sehr vernünftig von dem Papagei, sich aus dem Geschehen zurückzuziehen, wenn es brenzlig wurde. Sie saß auf der Bank am Fenster und sah zu, wie Cosimo seine Karten studierte und sich dabei kleine Notizen machte. »Haben wir ein bestimmtes Ziel vor uns?«, fragte sie vorsichtig.
»Nicht direkt«, sagte er, richtete sich auf und legte seinen Stift beiseite. »Nur einen Plan. Und bei dem wird sich zeigen, ob er funktioniert oder nicht.« In seinen Augen leuchtete ein unheimliches Amüsement, das seltsame Lächeln lag nach wie vor um seine Lippen. Er strahlte ein eigenartiges, inneres Vergnügen aus, als hätte er ein erfreuliches Geheimnis, das nur er kannte. Und unter diesem erregten Funken spürte Meg den harten Kern, dessen sie sich schon ein paar Mal bewusst geworden war. Er wurde erkennbar daran, wie entschlossen seine Lippen und sein Kinn wirkten – und in der leichten Anspannung seines ganzen Körpers. Dies war ein Mann, der seine Empfindungen völlig unter Kontrolle hatte, und zwar Empfindungen, die nichts anderes waren als Hilfselemente für seine kühle Entschlossenheit.
Sie fand ihn fast beängstigend, so wie er jetzt aussah, und trotz ihrer Neugier hielt sie sich mit ihren Fragen zurück. Als er die Kajüte mit schnellem Schritt wieder verließ, folgte sie ihm nicht sofort. Sie schaute hinüber zu dem rotseidenen Zelt, unter dem der Papagei saß, und wünschte beinah, er würde plappern so wie sonst. Aber er schwieg. Sie stand einen Moment unschlüssig da. Sie wollte nicht an Deck zurückkehren, weil sie sich dort nutzlos fühlte. Jeder der Männer hatte seine Aufgabe, die ganz klar definiert war, während sie nichts anderes würde tun können, als niemandem im Weg zu stehen.
Mit plötzlicher Entschlossenheit verließ sie die Kajüte, schloss die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg ins Innere des Schiffes. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gelangen würde, aber ein solcher Entdeckungsgang schien ihr momentan genau die richtige Beschäftigung zu sein. Es fiel ihr nicht leicht, aufrecht zu gehen, denn die Mary Rose preschte unter vollen Segeln vor dem Wind über die Wellen. Sie kam an einer verlassenen Küche vorbei, in der die Öfen nicht brannten und die aufgehängten Pfannen hinter Brettern gesichert waren. Am Ende des halbdunklen Ganges erreichte sie
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