In Liebe verführt
interessiert zu. Cosimos Leutnants wirkten noch reichlich unerfahren, und sie fragte sich, wie verlässlich sie wohl sein würden, wenn sie in eine Notsituation gerieten. Dann überlegte sie allerdings, dass die beiden Jungen nicht wirklich entscheidend waren für die Abläufe an Bord des Schiffes. Der grauhaarige Bootsmann war beinah wie herbeigezaubert an der Seite des Kapitäns aufgetaucht, und Mike, der Steuermann, stand schon am Steuer. Andere Männer, einfache Matrosen, soweit sie erkennen konnte, nahmen ihre gewohnten Positionen ein und standen an den Masten bereit oder stiegen die Wanten hinauf, um im Fall der Fälle bereit zu sein, die Segel zu setzen. Offensichtlich brauchten sie dazu keine zusätzliche Aufforderung, und Meg erkannte, dass auf Cosimos Schiff die Abläufe exakt eingespielt vonstatten gingen.
Gus begann mit einer ihr bisher unbekannten Aufregung, am Rand des Tisches auf und ab zu trippeln. Konnte er mit seinen Instinkten voraussehen, wozu die Menschen noch nicht in der Lage waren? Es würde sie nicht sonderlich überraschen.
Sie hatte jedes Interesse am Rhabarberkuchen verloren, blieb aber am Tisch sitzen, bis weitere Entscheidungen fielen. Der Junge, der als Biggins’ Assistent zu fungieren schien, kam herbei und begann mit einer gemurmelten Entschuldigung, eilig die Gläser und das Geschirr wegzuräumen. Ein anderer Junge faltete das Tischtuch zusammen und hatte gleich darauf mit wenigen Bewegungen auch schon den Tisch zugeklappt.
Meg stand auf. Wahrscheinlich mussten die Stühle ebenfalls weggeräumt werden. Sie hatte Recht. Der erste Junge hastete zurück und trug sie unter Deck. Die Anspannung der Männer auf dem Schiff war nun deutlich spürbar. Jeder stand auf seinem Posten und wartete. Sie schaute hinüber zum Hauptdeck und sah Männer auch an der Reihe von Kanonen bereitstehen. Sie hatten sie noch nicht in Position gebracht, waren jedoch beim ersten Wort bereit dafür. Meg konnte jetzt nicht mehr auseinander halten, ob sie nur aufgeregt war oder sogar Angst hatte. Würden sich die beiden Schiffe eine Schlacht liefern, wenn die Fregatte französischer Nationalität war?
Zögernd ging sie hinüber nach Backbord und stellte sich neben Cosimo, der nach wie vor durch sein Fernrohr schaute. Ohne es vom Auge zu nehmen sagte er: »Im Moment kannst du noch an Deck bleiben, aber ich wäre dir dankbar, wenn du sofort in die Kajüte gehen würdest, wenn ich es für nötig halte.«
»Ja, natürlich«, versprach Meg. »Werdet ihr kämpfen, wenn die anderen Franzosen sind?«
»Wenn wir der Fregatte nicht entkommen können, wird uns nichts anderes übrig bleiben.«
Er klang nicht, als ob ihn diese Aussicht irgendwie beunruhigen würde. Meg blieb an der Reling stehen, bis die dünne Stimme von Mr. Graves von oben ertönte: »Sie haben die Trikolore gehisst, Sir.«
»Also gut, dann setzt die Segel, Männer!« Er erhob kaum die Stimme, sein Auge war immer noch am Fernrohr. Zu Meg sagte er: »Wenn du genau an dieser Stelle bleibst, wirst du nicht im Weg sein.«
»Du hast nichts dagegen, wenn ich oben bleibe?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht wenn du selbst es aushältst.« Sie sollte nicht wissen, dass er in Erfahrung bringen wollte, wie sie reagierte, wenn das Schiff bedroht war. Ana hatte es damals sehr genossen – auf einem anderen Schiff, bei anderer Gelegenheit. Sie hatte an der Reling gestanden, ihr langes rotes Haar im Fahrtwind flatternd, und ihre grünen Augen hatten beinah wild vor Erregung geleuchtet. Dabei war sie völlig ruhig geblieben, selbst als die Kanonen krachten und die Kanonenkugeln der Angreifer über ihre Köpfe zischten. Aus welchem Holz war Meg Barratt geschnitzt ?
Meg zog ihren Umhang fester um sich und starrte in die Dunkelheit hinaus, bis sie endlich einen Schimmer Weiß erkennen konnte. Segel. Und sie schienen näher zu kommen. Ein kleiner Schauder aus Erregung und Unruhe rann über ihren Rücken. »Ist das andere Schiff größer als die Mary Rose ?«
»Es ist eine Fregatte«, antwortete Cosimo. »Größer ist sie sicher, aber nicht so schnell.«
Meg stellte keine weiteren Fragen. Der Mann konnte Ablenkung durch sie jetzt nicht gebrauchen. Die Mary Rose lehnte sich unter vollen Segeln nach Steuerbord und flog nun über das Wasser, gefolgt von dem französischen Schiff.
5
Cosimo blieb an der Reling stehen und hielt das Fernrohr auf die weißen Segel in der Ferne gerichtet. Soweit er es einschätzen konnte, hielt die Mary Rose ihren Vorsprung. Er ließ seinen
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