In Liebe verführt
hätte lesen können, wäre sie sicher mehr als beunruhigt gewesen.
Cosimo dachte nämlich an Ana. Ohne es zu wollen ertappte er sich dabei, wie er den Himmel nach einer Taube auf dem Weg zu dem grauen Haus auf dem Hügel absuchte. Megs unbeschwerte Art, die wenigen Minuten, die sie in dem Wäldchen verbracht hatten, zu genießen, erinnerte ihn lebhaft an Ana. Und doch waren die Unterschiede ebenso überraschend wie die Ähnlichkeiten. Ana war von einer harten Schale umgeben, und er wusste, dass ihr Leben, das keine Schwächen duldete, diese gebildet hatte. Sie hatte um ihr Überleben kämpfen müssen. Er mochte ihre oft brüske Art. Sie passten zueinander auf einer gleichwertigen Ebene. Doch die andere Ana, die tief im Inneren dieses Panzers verborgen existierte, war ihm unbekannt. Und manchmal glaubte er, dass sie sogar sich selbst unbekannt war. Meg war anders. Ihr Innerstes war nicht so geschützt. In vielen Beziehungen, dachte er, schien das auf größere Kraft als die von Ana hinzuweisen. Sie hatte keine Angst, sich und ihr Selbst zu zeigen.
Ohne sich dessen bewusst zu sein schwenkte er vergnügt ihre Hand, als sie auf dem letzten Stück des Weges durch wilde Nelken und Wiesenschaumkraut zum Dorf gingen. Trotz seiner Sorge um Ana empfand er eine begeisterte und eindeutig leidenschaftliche Vorfreude. Ana würde ihm die nicht übel nehmen. Sie waren zusammen, wenn die Zeit und die Ereignisse es erlaubten, und hatten sich auf die gleiche Weise wieder getrennt. Aber bei Gott, er musste wissen, was geschehen war. Plötzlich ließ seine Begeisterung nach.
Meg spürte die Veränderung deutlich durch den Händedruck. Sie schaute ihn an und merkte, dass die leidenschaftliche Vorfreude aus seinem Blick verschwunden war. Er schien nach innen zu schauen und dabei etwas Unangenehmes zu sehen. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«, fragte sie zögernd.
Sofort schaltete sein Gesichtsausdruck auf seine gewohnt entspannte Heiterkeit. »Was sollte das denn sein?«, fragte er leichthin.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Es fühlte sich an, als wäre ein Schatten auf dich gefallen.«
Sie war ungemein empfindsam, dachte Cosimo. Ana wäre dieser Moment nie aufgefallen, und wenn doch, hätte sie ihn als unbedeutend eingestuft – und als etwas, das sie nichts anging. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob Meg rücksichtslos genug sein konnte, um bei seinem Unternehmen seine Partnerin zu sein. War sie womöglich zu empfindlich? Lagen ihre Gefühle zu dicht unter der Oberfläche? Sie war sicherlich eine ungewöhnliche Frau, aber war sie stark genug für dieses Unternehmen?
»Oh, da muss mich wohl irgendein Geist berührt haben«, sagte er ausweichend und zuckte mit den Schultern.
Meg fand diese Erklärung zwar äußerst unbefriedigend, aber sie hatte keine Lust, weiter rumzubohren. Sie kannte den Mann nicht gut genug, um ihn aushorchen zu wollen. »Ich verhungere«, sagte sie stattdessen. »Hast du denn keinen Hunger?«
Cosimo war erleichtert über den Themawechsel und erwiderte: »Doch, ich glaube schon. Schließlich ist es ja schon Nachmittag und das Frühstück lange her.«
Meg sah ihn neugierig an. »Bemerkst du es denn normalerweise nicht, wenn du Hunger hast?«
»Nicht wirklich«, sagte er und sprang von einer niedrigen Steinmauer, die das Dorf vom unteren Rand des Hügels trennte. »Oft habe ich auch keine Zeit, um es zu bemerken, also werde ich mich wohl daran gewöhnt haben, die Anzeichen für Hunger nicht zu beachten.« Er griff Meg um die Taille und hob sie herunter auf die festgetretene Erde der Gasse. »Am Kai gibt es ein Wirtshaus. Sie machen einen hervorragenden Muscheltopf mit Wein und Knoblauch und dazu hausgebrautes Bier.«
»Ich dachte, du musst zum Schiff zurück.« Sie blieb mit dem Fuß in der Fahrrinne hängen und griff schnell nach seinem Ärmel, um sich im Gleichgewicht zu halten.
»Nah genug dran reicht auch«, sagte er. »Das Wirtshaus ist in Hörweite der Pfeife, falls sie mich brauchen… Stehst du jetzt wieder sicher?«
»Soweit man das mit nur einem Arm kann«, erklärte sie. Es war schon etwas seltsam, dass sie eine derart alltägliche Unterhaltung führen konnten nach dem, was eben in dem Wäldchen geschehen war. Und doch erhöhte das gleichzeitig ihre Erwartungsspannung. Was sich zwischen ihnen ereignet hatte, war nur ein kurzes Vorspiel gewesen. Dass sie beinah so tun konnten, als ob nichts geschehen wäre, erhöhte ihre Vorfreude. Sie würden zusammen Muscheln essen und Bier trinken
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