In Liebe verführt
Brandung, die weiter draußen auf die gefährlichen Felsen im Meer donnerte, war betäubend laut, und ein feiner Nebel von Gischt befeuchtete seinen Rock.
Eine Partnerin. Er hatte eine mögliche Partnerin. War sie wirklich wach und erwartete ihn in sehnsüchtiger Vorahnung auf die erotischen Möglichkeiten der kommenden Stunden? Konnte er diese Nacht nutzen, um sie in einer Weise an ihn zu binden, die sie bereit machen würde, ihre Liebesbeziehung zu verlängern und ihm dann in einer ganz anderen Angelegenheit beizustehen?
Er war so mit diesen Überlegungen beschäftigt, dass er zuerst gar nicht merkte, dass sie längsseits der Mary Rose angekommen waren.
»Guten Abend, Kapitän.« Das frische Gesicht von Frank Fisher tauchte über der Reling auf, als das lange Ruderboot gegen den Rumpf der Mary Rose stieß.
Cosimo riss sich aus seinen Gedanken. »Guten Abend, Mr. Fisher«, erwiderte er förmlich und schwang sich auf die Strickleiter. Er stieg zum Deck hinauf und hob eine Hand, um die Mannschaft des Ruderbootes zu verabschieden. »Und, alles klar während meiner Abwesenheit?«
»Aye, Sir«, sagte der junge Mann. »Und dies hier ist für Euch abgegeben worden.« Er streckte seinem Kapitän den kleinen Zylinder entgegen.
Cosimo wog ihn in der Handfläche, und seine Gedanken rasten. Meg würde erwarten, dass er sofort zu ihr kam, aber dies hier durfte nicht verschoben werden. Er stieg hinauf zum Oberdeck und öffnete den Behälter im Licht der Lampe am Besanbaum.
9
Cosimo rollte das dünne Blatt auseinander und hielt es gegen das Licht, um die feinen Zeichen darauf erkennen zu können. Die Nachricht kam von Ana. Das hatte er instinktiv gespürt, noch bevor er sie geöffnet hatte. Oder zumindest gab sie vor, von Ana zu kommen. Doch sie hatte sie nicht entworfen, selbst falls sie sie persönlich geschrieben haben sollte.
Er blickte mit gerunzelter Stirn auf die Unterschrift. Anna . Das war das Signal, auf das sie sich geeinigt hatten als Zeichen für Schwierigkeiten. Die Nachricht selbst war so kurz, wie sie sein musste: Aufgehalten. Mission von extremer Bedeutung. Fortfahren wie geplant. Bonne chance. Anna.
Die Nachricht war von einer Brieftaube gebracht worden. War eine ihrer Tauben vom Feind abgefangen und jetzt benutzt worden, um eine falsche Nachricht zu bringen? Das wäre nicht das erste Mal. Die französischen Geheimdienste waren genauso hinterlistig und geschickt wie die britischen. Wenn sie Ana gefangen hatten, dann hätten sie von ihr die Einzelheiten der gegenwärtigen Mission erfahren und würden ihn erwarten, wenn er in Brest an Land ging. Fortfahren wie geplant .
Seine Lippen verzogen sich. Was für arrogante Dummköpfe. Glaubten sie wirklich, er und Ana wären derart unerfahrene Einfaltspinsel, dass sie auf so etwas hereinfallen würden? Sie konnten Ana zwingen, die Nachricht zu schreiben, um die Falle zu stellen, und davon musste er jetzt als Fakt ausgehen. Aber es war äußerst naiv von ihnen anzunehmen, dass sie keinerlei Sicherungssystem hatten. Was immer sie mit Ana machten, welche Information auch immer sie gezwungen war, ihnen zu geben, sie würde auf jeden Fall einen Weg finden, sie auszutricksen. Was immer sie ihr auch antaten .
Er verschloss seine Gedanken vor dieser Vorstellung, sie würde keinem von ihnen nutzen. Bevor er irgendwelche falschen Schlüsse zog, musste er mit Leutnant Murray sprechen und versuchen herauszufinden, ob an dieser Brieftaube irgendetwas anders gewesen war. Vielleicht gab es Hinweise, woher sie gekommen sein mochte, und falls es so war, musste er seinem eigenen Netzwerk von Spionen in England dringend eine Nachricht schicken. Sie mussten Ana finden. Und es würde ihnen gelingen. Sie alle waren erfahrene Agenten, die großes Geschick darin hatten, die Netzwerke des Feindes zu infiltrieren. Sie würden Ana finden.
Er machte kehrt in der Absicht, sofort mit dem Ruderboot hinüber zum Kai zu fahren. Leutnant Murray würde zwar vermutlich schlafen, aber er musste ihn wecken. Dann sah er Meg nur ein paar Meter vor sich stehen und ihn beobachten.
Ihr Anblick überraschte ihn. In den letzten Minuten hatte er sie völlig vergessen. Warum hatte er sie nicht kommen hören? Wie lange stand sie schon da? Und was sollte er jetzt tun? Wenn er sie zu diesem Zeitpunkt verließ, würde er sie verlieren. Ihre Zuneigung war viel zu frisch, um etwas zu begreifen, was nach Zurückweisung aussah. Doch er konnte sich nicht leisten, sie zu verlieren, denn jetzt stand viel mehr auf
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