In Liebe verführt
und kratzte ein G in den Siegellack. Arabella würde den Bezug genauso verstehen wie beim letzten Mal.
»Er ist fertig«, sagte sie.
»Gut. Bring ihn zu Miles. Er wartet darauf. In einer Stunde lichten wir Anker.« Er sprach, ohne dabei seine Aufmerksamkeit von den Karten abzuwenden.
Meg betrachtete den Schwung seines langen Rückens, die Festigkeit seines Hinterteils. Sie spürte die Erregung in ihrem Bauch, aber sie wusste, dass der leidenschaftliche Liebhaber eindeutig hinter dem arbeitenden Kapitän zurückstand.
Doch wenn sie an der Reihe war, dann war sie hundertprozentig an der Reihe. Lächelnd ging sie an Deck, um Miles ihren Brief zu geben.
Sie verließen den Hafen mit der Flut. Die Mary Rose machte sich zielstrebig auf den Weg aus dem geschützten Hafen in Richtung offenes Meer, wo das Donnern der Wellen gegen das Riff zunehmend lauter und bedrohlicher wurde. Cosimo stand am Steuerruder, Mike neben ihm, und das Schiff fuhr unter vollen Segeln auf die Öffnung zwischen den Felsen zu.
Meg hatte sich des auffrischenden Windes wegen in einen Umhang gehüllt und schaute zurück auf das schnell kleiner werdende Dorf, das den letzten Rest ihrer normalen Welt darzustellen schien. Die Meereswelt, in die sie jetzt unterwegs war, hatte ihre eigenen Regeln und ihre eigenen Gefahren. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ihre Zukunft nach diesem Abenteuer aussehen würde. Ob es ihr gelingen konnte, sich wieder in die normale Gesellschaft einzufügen?
In jener Welt hatte sie sich nie wirklich wohl gefühlt, obwohl sie keine andere kannte. Anders als Arabella war es ihr nie gelungen, diese Welt ihren Bedürfnissen anzupassen. Bella hatte die Gesellschaft für sich zurechtgebogen, so wie sie es brauchte. Allerdings wurde sie dabei voll unterstützt von ihrem draufgängerischen Ehemann. Meg, die nicht den Vorteil eines solchen Mannes und der gesellschaftlichen Stellung einer Herzogin hatte, war nicht so erfolgreich gewesen. Was die Herzogin von St. Jules tun konnte, ohne jeden Skandal zu bewirken, war einer einfachen Miss Barratt nicht möglich. Bisher hatte sie sich stets dafür entschieden, sich wenigstens weitgehend an die Regeln zu halten. Sie bezweifelte, dass sie damit noch zufrieden sein würde, wenn sie ihr Abenteuer mit dem Freibeuter hinter sich hatte. Wie also würde ihre Zukunft aussehen?
Bei dieser Frage wurde es ihr leicht unbehaglich zumute, und sie wandte sich von der verschwindenden Küste ab und schaute voraus. Cosimos hohe, kräftige Gestalt verstellte ihr den Blick auf den Bug und das wirbelnde Wasser davor, und im Augenblick war sie damit eigentlich ganz zufrieden. Im Moment lag ihre Zukunft bei dem Freibeuter. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und würde sich jetzt nicht erlauben, sie zu bereuen.
Sie beobachtete, wie er sein Schiff durch die Felsen steuerte, sein Blick auf die Segel gerichtet, während seine Stimme, wie gewohnt kaum lauter als normal, eine Reihe von Befehlen rief. Von Minute zu Minute wurde die Segelposition leicht geändert, und das Schiff fuhr durch die Öffnung im Riff. Gischt wurde von der Brandung herübergeweht, blendete Meg und befeuchtete ihr Haar. Dann war die Mary Rose jenseits der schmalen Öffnung, und das Krachen der Brecher ertönte in sicherem Abstand hinter ihnen. Vor ihnen lag ein bewegtes Meer, Wellen mit weißen Schaumkronen rauschten auf den sich hebenden Bug des Schiffes zu. Der Wind war hier stärker, zauste ihr Haar, doch sie blieb stehen, hielt ihren Umhang mit einer Hand am Hals zusammen, spürte, wie das Deck sich unter ihren gestiefelten Füßen hob und senkte und das Salzwasser sich in kleinen Tröpfchen auf ihre Wangen legte.
Das letzte bisschen Unbehagen verschwand im Wind, und Meg gab sich der Begeisterung des Augenblicks hin, der Erregung, die in dem Wissen lag, dass der Mann, der das Schiff auf Kurs hielt, schon bald diese Kraft und Konzentration für eine ganz andere Beschäftigung einsetzen würde. Sie lachte, und der Wind riss ihr den Ton von den Lippen.
11
Das Wetter änderte sich, als sie die felsige, weit ins Meer hinausragende Küste der Bretagne umrundeten auf dem Weg in die rauen Wasser der Bucht von Biscaya. Regenwolken glitten über einen grauen Himmel, und der Wind war so kalt und schneidend wie im Winter.
Meg stand wie üblich an der Heckreling, schauderte trotz ihres dicken Umhangs, und ihr Haar hatte von der feuchten Luft ganz viele kleine Löckchen. Sie konnte gerade noch in der Ferne die Linie der französischen Küste
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