In Liebe verführt
scheint mir das kaum verwunderlich.« Er füllte ihre Tasse und goss Milch dazu, genau die richtige Menge für ihren Geschmack.
Meg rührte darin. Er hatte das Thema zur Sprache gebracht, und jetzt war es an ihr, es aufzugreifen. »Ja.« Sie schauderte kunstvoll und ließ ihre Finger ein wenig zittern, als sie die Tasse hob. »Ich möchte lieber nicht darüber sprechen. Ich habe dich verärgert, indem ich dir folgte, und das tut mir Leid.« Es gelang ihr, noch einmal zu schaudern, und sie berührte flüchtig den Schnitt an ihrem Hals, um das zu betonen.
Er runzelte die Stirn, doch dann sagte er ruhig: »Ich erlaube es mir nicht, ärgerlich zu werden, das ist eine überflüssige Gefühlsregung, obwohl ich zugeben muss, dass ich gereizt war. Aber ich denke nicht mehr daran. Wir wollen es einfach beide vergessen, Meg.« Er streckte die Hand aus und strich in einer flüchtigen Zärtlichkeit mit den Fingerspitzen über ihren Arm. Sie erstarrte unter seiner Berührung und schaute über seine Schulter ins Leere. Er zog seine Hand zurück, lehnte sich nach hinten und betrachtete sie jetzt mit deutlichem Stirnrunzeln.
Meg nahm ihre Gabel und begann zu essen, wobei sie seinem Blick auswich. Sie brauchte nur an jene beiden Männer zu denken und wie sie zusammenbrachen – schon konnte sie ihre Rolle aufrechterhalten. Sie suchte nach irgendeinem alltäglichen Gesprächsthema, mit dem sich die Befangenheit übergehen ließ, aber es fiel ihr nichts ein. Sie hatte noch nie mit dem Freibeuter über Banalitäten gesprochen und wusste nicht, wie sie es anfangen sollte.
Cosimo brach das Schweigen. »Was ist los?«
»Nichts, ich bin nur müde. Ich habe nicht gut geschlafen.« Sie zwang sich zu lächeln.
Cosimo zuckte flüchtig die Schultern und widmete sich erneut seinem Frühstück, ohne nochmals zu versuchen, das Schweigen zu unterbrechen, das sich zwischen ihnen ausbreitete, bis es beinah greifbar war. Schließlich legte er die Gabel nieder und stand auf. »Entschuldige mich.« Mit beunruhigter Miene ging er hinüber zu seinen Leuten.
Warum war sie auf sein Angebot nicht eingegangen?, fragte sich Cosimo. Wenn hier jemand ein Recht hatte, eingeschnappt zu sein, dann war er das. Meg hatte seine Mission gefährdet, sie war im Unrecht gewesen. Nicht er. Er hatte sie verletzt, aber nicht absichtlich. Und das wusste sie bestimmt, genauso wie sie die Gefahr gekannt haben musste, in der sie alle schwebten, wenn sie sich auf französischem Boden befanden. Ihr Vorgehen war nichts als pure Neugier gewesen. Hielt sie dies alles für eine Art Spiel?
Aber diese Leblosigkeit in ihrem Blick, der tonlose Klang ihrer Stimme, die Art, in der sich ihre Hand unter der seinen wie ein toter Vogel anfühlte… Was steckte dahinter? Das war mehr als nur ein zufälliger kleiner Schnitt, für den sie mindestens genauso verantwortlich gewesen war wie er.
Auf dem Oberdeck flog Gus jetzt auf den Tisch und pickte Brotkrumen auf. Er betrachtete Meg aufmerksam mit seinen dunklen Knopfaugen. »Morgen.«
»Das hatten wir doch schon, Gus«, sagte sie und hielt ihm ihren Unterarm hin, damit er sich darauf setzte. Sie kraulte ihn am Hals und murmelte: »Ich wünschte, auf diesem Schiff könnte man irgendwohin gehen, irgendetwas tun.« Sie spähte hinauf zu den Segeln, wo zwei Matrosen in luftiger Höhe saßen und an der Bespannung arbeiteten. Das war ebenso gefährlich, wie es aussah, irgendwo da oben am Hauptmast, aber Meg beneidete die beiden um die Arbeit und die damit verbundene Aufregung. Sie hatte sich bisher auf der Mary Rose noch nie gelangweilt, aber schließlich war die Gegenwart des Freibeuters immer mehr als genug Aufregung gewesen. Jetzt war das etwas, dem sie aus dem Weg gehen musste, und das würde unter derart beengten Umständen wahrlich nicht leicht werden.
Sie stand auf und ging wieder hinunter in die Kajüte. An einem von Anas Kleidern war ein Knopf lose, damit hatte sie wenigstens etwas zu tun. Doch als sie das Kleid hervornahm, stellte sie fest, dass Biggins ihr zuvorgekommen war und alle Knöpfe fest angenäht schienen.
Ein Brief an Bella. Der würde sie beschäftigen, selbst wenn sie nicht wusste, wann sie ihn würde abschicken können. Indem sie jemandem anderen die Ereignisse der vergangenen Nacht beschrieb, das ganze Wirrwarr ihrer Gefühle, ihrer Ängste in Bezug auf Cosimo und die nahe Zukunft, würde sie vielleicht ein bisschen mehr Überblick über alles bekommen.
Von dem Regal über dem Kartentisch nahm sie Papier, Federn und
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