In Liebe verführt
brachte selten sein Missfallen über eine nicht gelungene Aktion zum Ausdruck. Er war meist ohne weiteres in der Lage, die Richtung zu wechseln, um auf anderem Wege zum selben Ziel zu kommen. Aber David vermutete, dass die Tatsache, dass er nichts über Anas Schicksal wusste und ihr natürlich deswegen nicht helfen konnte, ihn extrem aufwühlte. Cosimo mochte das vielleicht nicht zugeben, aber er war nicht ununterbrochen der harte Pragmatiker, der er zu sein vorgab.
»Warum kehrst du nicht um und siehst, was du in England herausfinden kannst?«, schlug er kurz darauf vor.
Cosimo lachte kurz und freudlos. »Du wirst mir glauben müssen, wenn ich sage, dass das unmöglich ist, David. Ich habe eine Aufgabe vor mir, die ich erledigen muss, und zwar innerhalb von sechs Wochen. Sonst ist es zu spät.«
David war klug genug, nicht zu fragen, was es denn war, das so dringend erledigt werden musste. »Und was ist mit unserem Passagier?«, fragte er. »Wenn ich das richtig mitgekriegt habe, war sie heute Abend dabei.«
»Und das war ein Fehler«, brummte Cosimo finster.
David musterte ihn interessiert und erinnerte sich an ein Gespräch, das sie vor ein paar Tagen geführt hatten. »Willst du damit sagen, dass dieses Werkzeug unwillig ist oder nicht geschärft werden kann?«
Cosimo trommelte mit den Fingern auf der Reling. »Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich vermute, dass der Stahl noch weiter geschmiedet werden muss.«
»Manchmal wird es mir richtig kalt bei dem, was du sagst«, erklärte David und revidierte seine vorherige, menschlichere Einschätzung seines Freundes. »Schläfst du mit Meg, um sie besser ›schmieden‹ zu können, wie du es nennst?«
Die Finger des Freibeuters trommelten nervös auf der Reling. Vor ein paar Tagen hätte er diesen Vorwurf noch nicht zurückgewiesen, wahrscheinlich wäre er mit einem Lachen darüber hinweggegangen. Er hatte sich immer schon Frauen ausgesucht, die eine Vorliebe für sinnliche Abenteuer ohne gegenseitige gefühlsmäßige Abhängigkeit hatten. Er hatte gedacht, Meg passe genau in diese Kategorie, denn sie war mit leichtherziger Begeisterung in ihr leidenschaftliches Abenteuer getaucht, das versprochen hatte, sich genau zu so einer nützlichen und erfreulichen Partnerschaft zu entwickeln, wie er sie mit Ana hatte. Er hatte natürlich die Absicht gehabt, ihre Liaison zu benutzen, um Meg für seine Mission rekrutieren zu können. Was das betraf, gab es also durchaus eine pragmatische Seite für ihn hinter ihrem lustvollen Abenteuer. Doch aus irgendeinem Grund fand er diese Überlegung ungewöhnlich geschmacklos.
»Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht die gleiche Freude wie ich daran hat«, sagte er und hörte den steifen, nach Verteidigung klingenden Ton selbst. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, David, ich muss die Uhr einstellen. Behalte den Cognac, wenn noch etwas in der Flasche ist.«
Er ging davon, und der Arzt stand da und starrte nachdenklich in die Nacht hinaus. Normalerweise stellte Cosimo die Uhr nicht selbst ein, das war Miles’ oder Franks Aufgabe. Und der Kapitän der Mary Rose klang auch sonst niemals, als wäre er sich seiner selbst nicht sicher. Kam Meg Barratt ihm näher, als er erwartet hatte? David trank den letzten Schluck aus dem Flachmann. Ein kleines Lächeln hob seine Mundwinkel. Vielleicht würde es dem Mann ganz gut tun, wenn sein Gefühlsgleichgewicht zur Abwechslung mal etwas ins Schwanken geriet.
Cosimo, der glücklicherweise nicht wusste, zu welchem Schluss der Arzt gekommen war, diskutierte mit Frank die Einstellung der Uhr, mit Mike den Kurs, und dann machte er ruhelos einen Gang über das Deck, wobei er nicht bemerkte, mit welch grübelndem Blick der Steuermann hinter ihm hersah. Mike segelte mit dem Freibeuter, seit die Mary Rose ihre ersten Segel gesetzt hatte, und seitdem hatte er seinen Kapitän noch nie beunruhigt gesehen. Doch irgendetwas hatte den Kapitän heute Abend in Sorge versetzt, das stand fest.
Cosimo kam zurück zum Steuerruder. »Ich gehe jetzt unter Deck, Mike. Schick nach mir, wenn du mich brauchst.«
»Aye, Sir, so wie immer«, sagte der Mann mit einem Nicken. »Ist alles in Ordnung, Sir?«
»Natürlich, warum sollte es das nicht sein?«
Der Steuermann zuckte hinter dem Rücken seines Kapitäns mit den Schultern, als Cosimo zur Luke ging. Ja, warum auch ?
Cosimo öffnete leise die Kajütentür. Die Dunkelheit des Zimmers wurde nur durch den grauen Fleck des Fensters gemildert. Er
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