In Liebe verführt
nach. »Prima Jungs«, bemerkte Mike vom Steuerruder hinter ihm.
»Ja, aber sie haben noch viel zu lernen«, sagte sein Kapitän. »Frank besonders. Er hat immer noch nicht verstanden, wo seine Hände hingehören.«
»Er wird es am Schluss schon noch hinbekommen, Sir.«
»Seine Mutter wird mich umbringen, wenn er es nicht schafft«, knurrte Cosimo. »Ich gehe unter Deck. Ruf mich, wenn wir vor St. Nazaire sind. In der Gegend könnten wir eventuell französischen Schiffen begegnen.«
»Aye, Sir.«
Cosimo blieb einen Moment vor seiner Kajüte stehen, und dann öffnete er erneut ohne anzuklopfen die Tür. Zuerst dachte er, die Kajüte wäre leer, dann flog Gus mit einem erklärenden »Gut’ Nacht« auf seine Schulter.
Meg lag schlafend auf der Koje, die Decke in einem Berg um die Knie, den Kopf auf eine Hand gebettet. Cosimo glättete die Decke und zog sie hinauf bis zu ihren Schultern. Sie bewegte sich, aber er wusste, dass sie nicht nur vorgab zu schlafen. Ein Stapel Papier lag auf dem Tisch, und er ging hinüber und hob das oberste Blatt, das leer war. Darunter entdeckte er in den Zeilen seinen Namen und ließ das oberste Blatt sofort wieder fallen. Vielleicht lag der Schlüssel zu Megs seltsamem Verhalten in diesem Brief, doch nichts konnte ihn dazu bringen, ihn zu lesen. Was sehr interessant war, denn er verbrachte schließlich einen großen Teil seines Lebens damit, private Korrespondenz zu dekodieren und nach den Geheimnissen anderer Leute zu suchen.
Es hatte den Anschein, als hätte er ein Gewissen entwickelt, einen ganz normalen, menschlichen Widerwillen dagegen, in den Geheimnissen eines anderen Menschen zu graben, zumindest in Bezug auf Meg. Doch wie war das denn passiert? Er hob wieder das oberste Blatt hoch, entschlossen, den Brief zu lesen, dann ließ er es wieder fallen. Es ging einfach nicht. Meg musste es ihm selbst sagen.
Er ließ sie schlafen. Wenn zumindest das mit den Albträumen gestimmt hatte, dann brauchte sie ihren tiefen Schlaf.
Das Marinekanonenboot erschien am späten Nachmittag am Horizont. Stolz trug es die Farben Seiner Majestät am Hauptmast, und Cosimo schickte Frank, um vom Backbordbug aus mit den Flaggen Signale auszutauschen.
»Sie sagen, sie sind auf dem Weg nach Neu-Rochelle, Sir«, sagte Frank aufgeregt.
»Hmm«, erwiderte sein Onkel, der die Signale natürlich genauso gut lesen konnte wie sein Neffe. Wenn die britische Marine auf dem Weg nach Neu-Rochelle war, bedeutete das, dass eine der französischen Flotten kurz davor war, den Hafen zu verlassen. Sein Landepunkt war zwei Meilen südlich des Hafens, aber wenn es dort eine Seeschlacht gab, würde man von ihm erwarten, dass er seine Hilfe anbot. Doch er konnte diese Zeit nicht entbehren. Er musste nach Toulon kommen, bevor Napoleon aufbrach.
»Ist das ein britisches Schiff?«
Megs Stimme erschreckte ihn, denn bisher hatte er sie für den größten Teil des Tages nur in seinem Kopf gehört. Er wandte sich ihr zu und sah sie nicht weit entfernt an der Reling stehen. »Ich glaube schon.«
»Würden die mich eventuell mitnehmen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Mag sein. Aber ich vermute, sie sind auf Kurs, um die Flotte zu verstärken, die nach Ägypten unterwegs ist.« Er sah sie an. »Möchtet Ihr gern nach Ägypten, Miss Meg?«
Jetzt waren sie also wieder bei der alten, ironischen Titulierung, und Meg konnte nur froh darüber sein. Das bedeutete, dass er sich zurückzog und ihre Bitte erfüllen wollte. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu, reagierte jedoch nicht auf die Frage.
»Hast du gut geschlafen? Keine Albträume?«, fragte er freundlich.
»Nichts, was mich belästigt hätte. Werdet ihr mit dem Schiff Kontakt aufnehmen?«
»Wenn du es wünschst. Wie möchtest du dem Kapitän deine Anwesenheit auf der Mary Rose erklären?« Die Frage klang freundlich, aber Meg ließ sich nicht täuschen.
Es war eine unangenehme Frage. Sie hatte zum Teil deswegen darauf verzichtet, die Kapitäne der Fregatten auf Sark zu treffen, weil sie einen Skandal vermeiden wollte. Und jetzt sollte sie eine plausible Erklärung dafür finden, warum sie mitten in der Bucht von Biscaya auf einem Freibeuterschiff unterwegs war. Aber sie konnte ja zum Beispiel einen falschen Namen angeben. Das würde ihr einen gewissen Schutz geben.
»Mein Name ist Gertrude Myers, und ich war auf einer Vergnügungssegeltour mit Freunden unterwegs, als wir kurz vor Sark Schiffbruch erlitten. Ein Fischer hat mich aus dem Meer gerettet und an Land
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