In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Haupthaus um. Altes Holz, isoliert mit Stroh und Lehm, es war …«
Der Zechendirektor hatte den Kopf abgewandt und starrte auf ein modernes Triptychon, das an der Wand hing. »Insgesamt sieben Menschen verbrannten, Erwachsene und Kinder. Sie wurden erst im folgenden Jahr gefunden. Der Schnee … Sie können es sich ja vorstellen … drei Kinder, das jüngste erst ein halbes Jahr alt.«
Ständig stieß den Russen Schlimmes zu. Ihre Tragödien schienen größer, die Leiden fürchterlicher zu sein. Knut schaute in sein Glas, das er zwischen den Fingern drehte. Der Direktor missverstand ihn, schenkte eine weitere Runde Wodka aus und nötigte den Gast, noch Blinis mit Kaviar zu essen.
»Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden, aber nach einer Weile … einige Jahre später … ja, es war wohl zwölf Jahre nach dem Unglück …«
»Zehn«, warf der Konsul ein.
»Ja, natürlich. Zehn Jahre später. Ivan Sergejewitsch wohnte damals ganz woanders. Ihn plagten Sorgen. Seine Frau war urplötzlich an irgendeiner Krankheit gestorben. Nach einigen Monaten wollte er ein junges Mädchen heiraten, das in seiner Familie aufgewachsen war. Keine Verwandte, wissen Sie, aber dennoch. Sie war erst sechzehn Jahre alt, glaube ich. Aufgrund der Formalitäten rund um die Eheschließung, also wegen des ganzen Papierkrams, fand man heraus, dass sie aus der Familie stammte, von der man angenommen hatte, alle Mitglieder wären bei dem Brand von Krasnodon umgekommen. Für Ivan Sergejewitsch war das sehr unangenehm. Denn die Behörden hatten keine Überlebenden registriert.«
Der Konsul beugte sich vor und rutschte mit dem Stuhl näher zu Knut. »Zu diesem Zeitpunkt habe ich im Büro des Vertrauensmanns in Krasnodon gearbeitet, der nächstgrößeren Stadt in der Nähe des Unglücksorts. Ich hatte die Verhöre von Ivan Sergejewitsch und seiner jungen Frau zu führen. Sie erinnerte sich an nichts aus ihrer Kindheit, glaubte, sie stamme aus einem Kinderheim. Ich erwähnte den Brand und den Tod ihrer ganzen Familie nicht. Aber es war auch unmöglich herauszufinden, was Ivan Sergejewitsch wusste. Im Zuge der Vernehmungen wurden neue Untersuchungen an der Brandstelle angestellt, die all die Jahre unverändert geblieben war. Man redete mit den Leuten aus dem Dorf, aber natürlich war sehr viel Zeit vergangen. Zehn Jahre. Die Leute behaupteten im Übrigen, es spuke an der Hofruine. Sie glaubten, es brächte Unglück, wenn man sich dem Ort näherte.«
Der Direktor hatte eine Hand gehoben, bereit, den Faden wiederaufzunehmen. »Ein unangenehmer Verdacht blieb an Ivan Sergejewitsch hängen. Wegen des Brandes und weil er dieses junge Mädchen geheiratet hatte, das in seiner Familie so viele Jahre wie eine Tochter gelebt hatte. Es wurde für ihn immer schwieriger, in Lugansk zu wohnen. Deshalb zog er mit seiner neuen Frau nach Spitzbergen, hier nach Barentsburg.
Leider lief es nicht so wie geplant. Die Frau ist hübsch, und es gibt viele Junggesellen in einer Bergarbeitersiedlung … und er wurde nicht der Arbeiterführer, wie er es sich vorgestellt hatte. Und so endete es eines späten Abends, so wie Sie es angedeutet haben, Polizeibeamter Fjeld – Vanja stellte den Betonmischer an und sprang.« Der Direktor sah den Konsul an.
Der Konsul hatte den Sessel noch einmal verrückt. Nun saß er neben Knut – mit roten Wangen und kleinen Schweißtropfen auf der Oberlippe. »Wahrscheinlich ist es am besten, wenn man mit Rücksicht auf die Familie und die übrigen Bewohner von Barentsburg Ivans Tod dennoch als einen Unfall bezeichnet.«
Knut seufzte. Nur ein einziges bestätigendes Wort an den Konsul und er wäre ohne weitere Komplikationen auf dem Weg nach Longyearbyen. Seine Wohnung in Blåmyra, das gemütliche Wohnzimmer mit der Stereoanlage, das Schlafzimmer mit dem komfortablen Doppelbett, alles schien unwirklich weit weg zu sein. Als befände er sich in einem fremden Land und ahnte nicht, wie er von dort wieder fortkam. Er hatte nie darüber nachgedacht, wie unterschiedlich Norweger und Russen tatsächlich waren. Aber er konnte dem Konsul die Bestätigung nicht geben, um die er bat. Die Verletzungen, die er an dem Toten festgestellt hatte, stimmten mit der Selbstmord-Theorie nicht überein.
Hatte er etwas gesagt? Die Augen des Konsuls waren schmal geworden.
Knut biss die Zähne zusammen. »Die Hände des Verstorbenen sind vollkommen zertrümmert. Die Finger sind an mehreren Stellen gebrochen, und der Handrücken fühlt sich an wie ein mit
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