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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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Mord gewesen sein. Was konnte denn wichtiger sein als Mord? Wieso sollte er zum Kai gehen, um nach irgendwelchen Fischerbooten Ausschau zu halten?
    Knut war irritiert, aber bevor er antworten konnte, hörte er wieder die Stimme des Polizeichefs. »Kannst du mich von einem geeigneteren Ort mit deinem Handy anrufen? Ich könnte dich dann etwas leichter informieren.«
    Der Dolmetscher musste gelauscht haben, denn sowie Knut den Hörer auf das altmodische Telefon legte, stand er im Vorzimmer. Die Sekretärin war verschwunden, wahrscheinlich zum Mittagessen. Der Konsul hatte sich in sein Büro zurückgezogen und die Tür geschlossen. Sie waren allein. Knut erklärte sein Problem mit dem so gut wie entladenen Mobiltelefon, einem Nokia 2110. Und der Dolmetscher bestätigte, was er befürchtet hatte. Es war wenig wahrscheinlich, in Barentsburg ein passendes Ladegerät zu finden.
    Unschlüssig sahen sie sich an. Knut wollte möglichst schnell zurück nach Longyearbyen, und der Dolmetscher wünschte sich vermutlich, ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Offenbar war es seine Aufgabe, zwischen den Gesprächen mit den russischen Verantwortlichen auf den norwegischen Polizeibeamten aufzupassen.
    Der Dolmetscher schlug vor, in der Kantine des Hotels etwas zu essen.
    Knut musste sich bei dem Gedanken beinahe übergeben. Obwohl es im Konsulat heiß war, brach ihm der kalte Schweiß aus. Hatte er sich bei irgendjemandem angesteckt? Vielleicht war ihm der russische Kaviar nicht bekommen?
    Er wolle spazieren gehen, erklärte er, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Dann käme er zurück zum Konsulat. Er würde nicht weit gehen.
    Der Dolmetscher sah besorgt aus. »Ich begleite Sie gern. Wir könnten zum Pomor-Museum gehen und uns die frühe russische Geschichte auf Spitzbergen ansehen. Sie sagten, Sie hätten die Ausstellung bisher nicht gesehen …«
    »Nein, ich will in kein Museum. Ich will an die frische Luft – allein.« Knut hörte, dass er ziemlich barsch reagiert hatte, und lenkte ein: »Wir können ja ein andermal ins Museum gehen.«
    »Aber … es könnte gefährlich werden. Sie kennen die Straßen nicht … die Lastwagen aus der Mine … dazu die ganzen Bürgersteige, die mit Brettern abgedeckt sind. Sie wissen, einige werden gerade repariert … unter dem Schnee gibt’s tiefe Löcher.«
    »Ich werde schon aufpassen. In einer Stunde bin ich zurück.« Knut beendete die Diskussion, indem er aufstand, an der Tür seine Jacke von der Hakenreihe nahm und rasch die Treppe hinunterging. Zum Glück folgte ihm der Dolmetscher nicht.
    Es war bereits früher Nachmittag, vor mehr als vierundzwanzig Stunden war er nach Barentsburg gekommen. Draußen zog die blaue Dämmerung auf. Das Licht am Horizont war nahezu verschwunden. Nicht ein Mensch war auf den Straßen zu sehen. Wo hielten sich die Einwohner auf? Ein kalter Windstoß wirbelte auf der leeren Hauptstraße den Schnee auf und verschlechterte die Sicht. Das schlechte Flugwetter war in Barentsburg angekommen.
    Knut ging nicht in Richtung Versammlungssaal und Sporthalle. Es gab nur wenige, weit auseinanderstehende Straßenlaternen. Mehrfach rutschte er auf irgendwelchen Gegenständen unter dem Schnee aus. Die Bedenken des Dolmetschers waren durchaus nicht unberechtigt gewesen. Er musste aufhören, so misstrauisch zu sein. Die Russen würden schon dafür sorgen, dass ihm während seines Aufenthalts nichts zustieß. Wenn er sich auf der Hauptstraße von Barentsburg einen Arm oder ein Bein brach, wäre es ebenso peinlich für sie wie für ihn.
    Die Straße führte unweit der letzten Häuser steil den Abhang hinunter. Knut ging an einem Gebäude vorbei, das aussah wie ein Wohnheim. Vor den Fenstern hingen Gardinen und Nippes. Plastiktüten mit Lebensmitteln, die kalt bleiben sollten. Er kehrte um und ging zurück zum Platz. Schon von Weitem sah er das Licht in der kleinen Holzkapelle, ein schwaches Schimmern, das sich auf den Fensterscheiben zeigte und wieder verschwand. Intuitiv öffnete er die Tür.
    Irgendjemand – es musste der Dolmetscher gewesen sein – hatte erwähnt, dass der Tote nach der Gedenkfeier im Versammlungssaal in die Kapelle gebracht werden sollte, um von dort nach Longyearbyen transportiert zu werden. Der Kirchenraum war erstaunlich klein, nicht mehr als zwanzig Quadratmeter höchstens. Er schien rund zu sein, war aber in Wahrheit achteckig. Die gelb lackierten Holzwände wurden von zwei langen Kerzen in großen Kerzenhaltern erleuchtet. An den Wänden

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