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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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Die kleine Dose mit der Köstlichkeit stand ungeöffnet in einer Schale mit zerstoßenem Eis. Das kleine Glas schien nicht sonderlich groß, ungefähr wie eine Dose gewöhnlicher Thunfisch. Auch die Verpackung war nicht übermäßig edel, ein goldfarbener Metalldeckel, schwarze Zeichnungen und die kyrillischen Buchstaben и кра рыбья . Das also war »Ikra rybya«, echter russischer Kaviar. Der Rogen der russischen Störe, die es im geheimnisvollen Kaspischen Meer, dem größten Binnensee der Erde, früher reichlich gab, brauchte keine Verzierungen. Im Laufe der letzten fünfzig Jahre waren diese haiähnlichen Fische aus einer fernen Vorzeit, diese bis zu sieben Meter großen Riesen, bis an die Grenze der Ausrottung illegal gefangen worden. Eine kleine Dose mit vielleicht fünfzig Gramm Inhalt kostete in Oslo viele tausend Kronen – wenn man sie überhaupt bekam. Es gab strenge Auflagen für den Export von echtem russischen Kaviar.
    Um diese Präsentation von suspektem Reichtum, die sich in Barentsburg ein wenig seltsam ausnahm, waren kleine Schäl chen mit rohen, feingehackten Zwiebeln, Roter Bete und dicker Sahne platziert. Auf einer Warmhalteplatte, die aus einem Antiquitätengeschäft zu stammen schien, stand eine Schale mit einem großen Stapel Blinis. Kleine, frisch gebackene, goldene Pfannkuchen aus Buchweizen und Hefe. Knut hatte gewaltigen Hunger, es roch wunderbar nach Essen.
    Sie befanden sich im Bürogebäude des Trusts in Barentsburg – einem alten, gut erhaltenen Holzhaus mit rot gestrichenen Außenwänden und weißen Verzierungen um Fenster, Türen und unter dem Dach. Auch bei der Restaurierung der Innenräume war man mit Liebe und Umsicht vorgegangen. Die Decke des großen viereckigen Zimmers vor dem Büro war mit Holzleisten in einem verzwickten Muster verziert. Die alte, ausgeblichene Farbe hatte man beibehalten. In einer Ecke des Raums stand ein gigantischer Kohleofen, der in einer kleinen Eisenspitze auslief. Anlässlich des Besuchs hatte man ihn mit einer angemessenen Menge Kohle angefeuert. Die Klappe stand offen.
    Zur Feier des Tages war außerdem auf den runden Tisch in der Mitte des Zimmers eine weiße Decke gelegt worden … aber was wurde eigentlich gefeiert? Knut war der einzige Gast. Außer ihm waren lediglich der Bergwerksdirektor, der Konsul und der Dolmetscher anwesend. Hin und wieder zeigte sich eine dürre ältere, vornehm aussehende Dame mit schwarz gefärbtem, aufgestecktem Haar. Sie erschien und verschwand so leise wie ein Geist und wurde nicht vorgestellt. Zweifellos die Sekretärin.
    Der Direktor sah fürchterlich aus. Sein Gesicht war blass, er hatte große dunkle Tränensäcke unter den Augen. Als hätte er mehrere Tage nicht geschlafen. Er hatte sein Jackett ausgezogen, das Hemd war zerknittert. Aber sein Ton war herrisch.
    »Wie ich höre, machen Sie sich Gedanken über den Tod des armen Ivan Sergejewitsch. Überlegen, ob es wirklich ein Unfall war? Wie kommen Sie auf eine derartige Idee? Das müssen Sie mir erklären.«
    Der Dolmetscher übersetzte nervös und unterbrach sich beim kleinsten Räuspern des Direktors.
    Knut hatte nicht erwartet, dass der Direktor ohne Umschweife zur Sache kommen würde. »Aufgrund verschiedener Dinge … Es gab Funde an der Leiche … Vielleicht sollte man sich das Privatleben oder die Arbeitsverhältnisse des Verstorbenen etwas genauer ansehen?« Knut bemühte sich, die richtigen Argumente zu finden.
    Etwas an seinen Ausführungen stieß auf Widerhall.
    »Ah ja …« Der Zechendirektor schnaubte und sah dabei den Konsul an. »Daran haben wir nicht gedacht … Vielleicht haben Sie Recht. Selbstmord. Ich muss schon sagen, eine interessante Überlegung.«
    Knut nickte vage und hielt den Blick auf das Essen gerichtet, das verlockend roch. »Wann fliegt der Helikopter von Heerodden nach Longyearbyen?«
    Der russische Kaviar überraschte Knut ganz hinten im Gaumen – wie ein Überfall. Er spürte, wie er die Augen aufriss, bevor die Russen lachten. »Etwas ungewöhnlich, wie? Das erste Mal … ja, ja, man muss sich daran gewöhnen. Nicht, dass es sonderlich viele Gelegenheiten gäbe … unmöglich zu beschaffen. Neuer Geschmack, das Aroma, alles zusammen. Es ist vielleicht das einzige Mal. Aber sehen Sie …«
    Der Direktor stellte sich neben Knut. Nahm ein Blini, strich einen großzügig gefüllten Löffel der grauschwarzen Perlen auf den Pfannkuchen, schmierte einen Klecks Sahne darüber und streute rohe Zwiebeln auf die Sahne. Dann

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