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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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rollte er das Ganze zusammen und reichte Knut den Pfannkuchen, der alles auf einmal in den Mund stopfte. Wieder dieser primitive, uralte Geschmack von etwas vollkommen anderem. Dieses Mal schmeckte es ihm – in gewisser Weise. Er fing an zu begreifen, worum es ging.
    Die Wodka-Marke kannte Knut nicht. Der Konsul erklärte, es sei eine von den Russen besonders geschätzte Sorte – aus einer sehr alten Weizenart gebrannt und durch Kohle gefiltert. Soweit Knut es beurteilen konnte, schmeckte der Wodka absolut nach nichts, doch die Kehle glitt er hinunter wie eiskaltes Öl.
    Was hat das alles zu bedeuten?, fragte er sich. Warum wurde ein einfacher Vertreter des Büros der Regierungsvertretung zu einer derartigen Völlerei eingeladen? Er musste an einen Artikel denken, den er vor vielen Jahren gelesen hatte, als er eine müßige Stunde auf ein verspätetes Flugzeug warten musste. Irgendetwas erinnerte ihn an diese Situation. Die Überschrift lautete »The Great Maskelyn on Magic«. Es ging um die professionellen Tricks, zu denen Zauberkünstler greifen, um das Publikum abzulenken – wie bringt man die Zuschauer dazu, in eine andere Richtung zu schauen? Der glatte Charme, die eleganten Handbewegungen, der amüsante Dialog mit dem Publikum.
    Sie wollten ihm etwas über Ivan Sergejewitsch Makanin erzählen. Es sei an der Zeit, dass Knut mehr erfahre. Sie baten ihn, diese Informationen für sich zu behalten. Als Hintergrund für ein tieferes Verständnis des tragischen Todesfalles sei es nur für ihn bestimmt.
    Der Direktor sprach in kurzen Sätzen, der Dolmetscher hatte kein Problem mit der Übersetzung. Allerdings ließ er Knut wie ein ängstlicher Hund nicht aus den Augen und schien sich bei den Erklärungen des Direktors nicht wohlzufühlen. Der Konsul saß in einem großen abgewetzten Sessel. Sein Kinn hatte sich in den Hautfalten verkrochen. Er hörte zu.
    »Ivan Sergejewitsch wurde 1945 bei Krasnodon geboren, einer der größten Städte in der Oblast Luhansk. Über die Hälfte der Bergleute hier in Barentsburg sind Ukrainer. Das ist nicht weiter verwunderlich. Zur Zeit der Sowjetrepublik war die Ukraine aufgrund ihrer großen Kohleindustrie einer der reichsten Landesteile. Nach 1991 verschlechterten sich die Verhältnisse. Die Produktion verringerte sich um die Hälfte, die Leute verarmten. Die Grubenarbeiter verdienten mehr auf Spitzbergen und bewarben sich hier. Nun gut, genug von Politik …« Er streckte sein Glas aus, um es mit Wodka zu füllen.
    »Ivan Sergejewitsch wuchs in äußerster Armut auf, aber in einer Familie mit strenger Erziehung und alten Traditionen. Mit gerade mal vierzehn Jahren hatte er seinen ersten Arbeitstag in den berüchtigten Zasyadka-Minen. Er grub Kohle mit einem Holzspaten und schob Transportloren aus mehreren hundert Metern Tiefe die steilen, dunklen Stollen hinauf.
    Vanja wurde stark, er hatte von seiner Mutter den soliden Knochenbau eines Russen geerbt. Der Vater war ein echter Kosake mit der schmächtigen Figur eines Reiters. Es war ein hartes Leben in den Zasyadka-Gruben. Kohlenstaub, Husten …
    Aber um eine lange Geschichte so kurz wie möglich zu erzählen: Ivan Sergejewitsch interessierte sich für Politik. Er wollte für die Rechte der Arbeiter kämpfen und wurde im Alter von nur vierundzwanzig Jahren zum Gewerkschaftsvorsitzenden der Bergleute gewählt. Ein paar Jahre später ging es dann leider schief …«
    Der Direktor leerte das Wodkaglas in einem Zug und ging selbst herum, um eine weitere Runde auszuschenken. Als Knut nicht austrinken wollte, wies der Dolmetscher auf eigene Initiative darauf hin, dass so etwas Unglück bringe. Doch sehr schnell musste er sich wieder aufs Übersetzen konzentrieren.
    »Die Zechen in Lugansk sind sehr alt. Bereits 1721 wurde in der Ukraine mit der Kohleförderung begonnen. Es gibt unzählige tiefe, enge und niedrige Stollen. Niemand hat die Übersicht, und es gibt auch nur ungenaue, mit der Hand gezeichnete Karten. Man kann sich leicht verirren, vor allem in den ältesten Gruben.«
    Der Konsul hatte dem Direktor regungslos zugehört, nun räusperte er sich und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
    »Ja, ja … wieder diese Details. Ich soll mich kurzfassen. Was ich Ihnen jetzt erzähle, haben Sie sicher noch nie gehört. Die Geschichte wurde außerhalb der Donbass-Region nicht bekannt. Im Herbst 1974 ereignete sich eine furchtbare Tragödie in einem abgelegenen Dorf. Ein kleiner Hof brannte nieder, eine ganze Familie kam im

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