In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Fängerhütten an der Westküste. »Es geht doch nur darum, dass die Trawler mit dem Löschen beginnen und wir sie auf frischer Tat erwischen. Oder besser gesagt, dass die Küstenwache sie erwischt.«
Die Zurückhaltung der Polizeibeamten dämpfte Kommandeurkapitän Fredriksens Enthusiasmus nicht. »Darauf haben wir gewartet. Jetzt fährt der Frachter in Richtung Norden, und die Trawler setzen sich nach Süden in Bewegung – irgendwo in der Mitte werden sie sich treffen.« Er beugte sich über eine Seekarte, die auf dem Sitzungstisch lag, maß die Abstände mit einem Lineal. »Könnten sie auf dem Weg nach Barentsburg sein? Zumal dort noch zwei kleinere Fischkutter liegen? Ich halte es für durchaus denkbar, dass das Umladen dort stattfindet.«
»Dann würde es vor den Augen eines Beamten der Regierungsbevollmächtigten geschehen. So frech werden sie doch wohl kaum sein.« Tom Andreassen sah auf die Uhr. Sollte er versuchen, Knut anzurufen? Bestimmt war er in seinem Hotelzimmer. Es könnte sinnvoll sein, ihn zu warnen.
Der Polizeichef tastete die Nummer in sein Handy. Es klingelte, er wartete. Nach dem siebten Klingelsignal wurde es ruhig. Keine weiteren Klingeltöne.
»Knut? Hörst du mich? Es tut mir leid, dass ich dich so früh wecke, aber …«
Er verstummte. Irgendetwas stimmte nicht.
»Knut?«
Ein schwaches Atemgeräusch am anderen Ende der Leitung, ein leises Schaben. Dann war es plötzlich ganz still. Knut hatte die Verbindung unterbrochen.
»Ich glaube, er hat aufgelegt«, sagte der Polizeichef verblüfft. »Vielleicht war er noch nicht richtig wach. Ich versuch’s später noch einmal.«
Die Regierungsbevollmächtigte Isaksen hatte das Sitzungszimmer betreten und sich ans Kopfende des Tisches gesetzt. Sie folgte der Diskussion, ohne viel zu sagen. Jetzt ergriff sie das Wort. »Möglicherweise bin ich ein wenig naiv, aber ich glaube nicht, dass die Leute in Barentsburg etwas mit der Sache zu tun haben. Ich weiß, dass es dort offenbar eine Kontaktperson gibt … schließlich könnte ein Russe in Longyearbyen so etwas nicht tun. Wir hätten ihn längst enttarnt. Und die Küstenwache geht vermutlich nicht davon aus, dass Norweger in die Sache verwickelt sind, oder?«
Der Kommandeurkapitän sah sie an und zuckte die Achseln.
Die Regierungsbevollmächtigte verzog irritiert das Gesicht. »Konsul Brodskij würde niemals eine offene illegale Aktion am Kai von Barentsburg zulassen. Es muss andere denkbare Treffpunkte für das Umladen geben, wir sollten diese Möglichkeit vergessen.«
Sie beugten sich wieder über die Karten auf dem Tisch.
Das Küstenwachtschiff »Senja« war seit mehreren Stunden in den Fahrwassern um die Bäreninsel unterwegs, als der Steuermann eine mögliche Lösung vorschlug. »Wir haben in nördlicher und westlicher Richtung gesucht und hätten sie längst haben müssen. Sie müssen in Richtung Süden gefahren sein.«
»Wieso sollten sie das tun?« Der Kapitän war deprimiert. Er hörte beinahe schon das Gelächter seiner Kollegen. Wie war es möglich, einen großen russischen Frachter zu verlieren, der darüber hinaus längsseits vertäut am eigenen Schiff gelegen hatte? Leider war der Vorschlag des Steuermanns vernünftig. Es war nur so unlogisch. Sie waren davon ausgegangen, dass der Frachter sich ganz sicher mit den Trawlern treffen würde, um mehrere Tonnen gefrorenen Fisch zu löschen. Ihm war kalt. Konnten sie sich geirrt haben? Hatten sie tagelang ein russisches Schiff mit friedlichen Absichten schikaniert? War der Frachter doch auf dem Weg nach Barentsburg, wie die Mannschaft die ganze Zeit behauptet hatte?
Einige Stunden später hatten sie das Frachtschiff gefunden, aber nur, weil ein Matrose einen kleinen Fleck am äußeren Rand des Radars bemerkt hatte.
»Eisberg.« Der Steuermann schüttelte skeptisch den Kopf, der Kapitän wollte sichergehen. Nach einigen Meilen mit maximaler Geschwindigkeit war er sicher. Sie hatten den Russen auf dem Radar. Offensichtlich mit Kurs auf Murmansk.
Niemand fand eine vernünftige Erklärung. Wenn der Frachter Spitzbergen legal anlaufen wollte, gab es doch keinen Grund, jetzt umzudrehen und nach Hause zu fahren. Und wenn sie die Trawler treffen wollten, warum gaben sie auf? Im Hauptquartier der Küstenwache in Sortland wurde spekuliert, dass der südliche Kurs nur ein Ablenkungsmanöver sei, damit das Küstenwachtschiff glauben sollte, sie hätten aufgegeben. Die »Senja« bekam den Befehl, dem Frachter in einem gewissen Abstand zu
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