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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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Russen waren geschickt genug, die Landzunge zu umrunden und auf die andere Seite der Bäreninsel zu fahren.
    »Verflucht, wieso hast du nicht gehört, wie die Trossen gelöst wurden?«, brüllte der Steuermann den unglückseligen Matrosen an.
    Innerhalb weniger Minuten waren das Deck und die Brücke voller Menschen. Das Küstenwachtschiff »Senja« erwachte zum Leben, holte den Anker ein, der beide Schiffe vor der Bucht von Sørhamna gehalten hatte, und bereitete sich auf die Verfolgung vor. Der Fluchtversuch des russischen Kapitäns war reiner Unfug. Sobald sie die Landspitze umrundet hatten, würde der Russe wieder auf dem Radar auftauchen.
    Sie irrten sich. Das Frachtschiff tauchte nicht wieder auf, nicht einmal, als das Radar auf die größtmögliche Reichweite eingestellt wurde. Die Sicht betrug dreißig Seemeilen über das offene, eisfreie Meer, und die Bäreninsel war das einzige Hindernis. Es konnte nicht stimmen, es war nicht zu glauben. Ein großes Frachtschiff verschwindet nicht ohne weiteres. Das Küstenwachtschiff »Senja« hatte nur knapp eine Stunde gebraucht, um auf die andere Seite der Insel zu kommen.
    Der Kapitän wurde geweckt. Der Kommunikationsoffizier saß bereits im Funkraum und rief das Hauptquartier an.
    Das Küstenwachtschiff »Andenes« dümpelte gegen vereinzelte Eisschollen und überwachte theoretisch die russischen Trawler nördlich von Verlegenhuken. Die Mannschaft auf der Brücke hörte die Meldung des Küstenwachtschiffs »Senja«. Vorläufig wurde sie ignoriert, sie hatten ihre eigenen Probleme zu lösen: Im Schutz der Dunkelheit war erst einer, dann der zweite russische Trawler verschwunden. Der dritte Trawler, dem offensichtlich die Rolle des Opfers zugedacht war, hatte sich so dicht vor das Küstenwachtschiff gelegt, dass er einen Radarschatten für die beiden anderen Kutter lieferte. In diesem schmalen Sektor hatten sie sich davonstehlen können. Erst beim Wachwechsel um sechs Uhr entdeckte ein aufmerksamer Steuermann, dass nur noch einer der Fabriktrawler auf dem Radar zu erkennen war.
    »Was jetzt?«, wollte er von dem gerade geweckten, verärgerten Kapitän wissen, der sich mit beiden Händen durchs Gesicht fuhr. »Sollen wir Anker lichten und die beiden, die abgehauen sind, verfolgen, oder sollen wir den Trawler bewachen, der noch hier ist?«
    »Weckt den Flugleiter«, antwortete der Schiffsführer, nachdem er einige Minuten nachgedacht hatte. »Wir schicken die Hubschrauber raus. Die Trawler stehen ja nicht unter Arrest, wir sollen sie lediglich im Auge behalten. Und Himmelherrgott noch mal, gibt mir vielleicht irgendjemand mal einen Becher Kaffee? Stark und glühend heiß, nicht diese lauwarme Pisse, die die ganze Nacht in der Thermoskanne gestanden hat.« Er starrte durch die Bullaugen, die Polarnacht hatte sich undurchdringlich um das Schiff gelegt. Nur ein schwacher Silberstreifen am Horizont gab Hoffnung auf einen Tag mit klarem Wetter und einigen Stunden hinreichendem Tageslicht, um die beiden verschwundenen Trawler zu finden.
    Das Sitzungszimmer im Büro der Regierungsbevollmächtigten in Longyearbyen war zu einer Operationszentrale umgerüstet worden. Landkarten hingen an den Wänden und lagen über den Tisch verstreut. Auf dem Flugplatz wurde die Funküberwachung von Spitzbergen Radio übernommen. Am frühen Morgen hatte der wachhabende Operator die Meldungen der beiden Küstenwachtschiffe empfangen. Nach und nach war ihm klar geworden, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Er hatte den Polizeichef zu Hause angerufen und geweckt. Kurz darauf wimmelte es im Sitzungszimmer von Menschen, deren Wege sich erst vor wenigen Stunden getrennt hatten.
    »Ich glaube, jetzt passiert’s«, erklärte der Kommandeurkapitän Fredriksen vergnügt und trommelte mit einem Bleistift auf den Tisch.
    Tom Andreassen glaubte vorerst gar nichts. Er wartete darauf, dass der Kaffeekolben im Archiv zu Ende gurgelte. Der guten Ordnung halber hatte er die Regierungsbevollmächtigte geweckt. Am Telefon äußerte sie sich ziemlich verhalten zu den Neuigkeiten. »Es handelt sich um eine Operation der Küstenwache. Wir sollten uns da nicht einmischen. Sonst wird es schwierig, die Grenzen abzustecken, wenn es um Verantwortungsbereiche und unsere eigenen Aufgaben auf Spitzbergen geht.«
    Der Polizeichef war ganz ihrer Meinung. Außerdem hätte das Büro ohnehin nicht sonderlich viel beizutragen, das Motorschiff »Polarsyssel« der Regierungsbevollmächtigten versorgte gerade abgelegene

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