In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
wird ein Verhör der Kinder bestimmt ablehnen. Der Polizeibeamte Fjeld kann eventuell mit ihnen als Gruppe sprechen. Im Beisein ihrer Lehrerin.«
Vermutlich hielten sie ihn für unangemessen, aber Knut bestand darauf. Er wollte die Kinder sprechen. Die weibliche Lehrkraft sagte nicht ein Wort, nachdem sie sich vorgestellt hatte, sie sah ihn nur vorwurfsvoll an. Er hätte sich die Mühe sparen können. Die Kinder, dünn, blass und mit dunklen Ringen unter den Augen, waren viel zu klein, als dass sie die Spuren um den Betonmischer hätten hinterlassen können. Keiner war älter als sieben, vielleicht acht Jahre. Die Spuren gehörten einem sehr viel älteren Kind. Mindestens Schuhgröße 35 oder 36. Er hatte es dokumentiert … mit der Kamera, die aus seinem Hotelzimmer abhandengekommen war. Eines der Fotos, unterbelichtet und schlecht fokussiert, zeigte eine Spur neben dem Spaten und dem Vorschlaghammer.
Ein Gespräch mit dem Arzt des Krankenhauses blieb ebenfalls ohne Resultat. Der Arzt war ein kleiner, hagerer Mann mit einem bekümmerten Gesichtsausdruck. Er machte den Eindruck, als sei er gezwungen worden, aufs Konsulat zu kommen, und beantwortete die Fragen kurz und unwillig. Ivan Sergejewitsch ist ertrunken, hatte Knut seinen Obduktionsbericht nicht gelesen? Nein, er hatte sich nicht über die übel zugerichteten Hände gewundert, er sei schließlich kein Experte für Verletzungen durch Betonmischer. Außerdem seien es die Lebenden, die seine Zeit in Anspruch nahmen. Für die Toten konnte er ohnehin nichts mehr tun. In Barentsburg ging eine Magen-Darminfektion um. Die Leute hatten Durchfall und mussten sich übergeben. Schwere Fälle. Könnte eine Lebensmittelvergiftung sein. Er hatte mehrere Patienten im Krankenhaus und musste darauf achten, dass sie nicht dehydrierten. Wenn der Polizeibeamte also keine weiteren Fragen mehr hatte …?
Der Arzt hastete aus dem Sitzungszimmer, ohne sich umzusehen.
Zum Schluss gab es nur noch zwei Personen, mit denen Knut sprechen wollte. Es war später Nachmittag, und er fühlte sich unsicher. Wie weit konnte er den drei Menschen trauen, mit denen er den ganzen Tag im Sitzungszimmer verbracht hatte?
»Wenn wir fertig sind, kann ich vielleicht ins Büro gehen und die Notizen ins Reine schreiben?« Die Sekretärin sah ihn an. Lag eine Warnung in ihrem Blick?
»Ich muss noch mit der Ehefrau des Verstorbenen sprechen. Oksana Aleksandrovna Makanin.«
Endlich hatte er es gesagt. Die Worte blieben in der Luft hängen. Niemand protestierte. Nach einigen endlos langen Minuten betrat sie den Raum. Er lächelte ihr beruhigend zu, erhob sich.
Sie hielt das Förmliche sehr viel besser durch als er, setzte sich neben den Gewerkschaftsvertreter und blickte starr auf den Tisch.
»Frau Makanin, ich werde es so kurz wie möglich machen. An dem Abend, an dem Ihr Mann starb, haben Sie in der Kantine der Arbeiter gegessen?«
»Ja.« Sie antwortete kaum hörbar.
»Und als Sie mit Ihrer Mahlzeit fertig waren, wollte Ihr Mann noch einmal an seinen Arbeitsplatz, um an dem Betonmischer etwas zu justieren?« Knut wusste, dass er ihr die Antworten mehr oder weniger vorgab.
»Ja.«
»Und Sie sind nach Hause gegangen?«
Sie hob den Blick und sah ihn an. An ihren grauen Augen ließ sich nur schwer etwas ablesen.
»Ja.«
»Könnte jemand gehört haben, worüber Sie gesprochen haben? Ich meine, in der Kantine? Jemand in der Nähe des Tisches, an dem Sie saßen?«
Sie zuckte die Achseln und blickte wieder auf den Tisch.
»Sie haben niemanden gesehen, der Ihrem Mann gefolgt ist?« Er kämpfte um irgendeine andere Formulierung, hörte selbst, wie hilflos seine unpräzisen Fragen waren.
»Nein.« Ihrem Blick zu begegnen war unangenehm.
»Aber Sie sind nach Hause gegangen, nicht wahr? Was haben Sie getan, während Sie auf Ihren Mann warteten?«
»Gelesen.«
Er musste sich daran erinnern, dass sie noch vor wenigen Tagen in einer anderen Wohnung gelebt hatte, nicht in dem Zimmer, das er kannte. Wo hatte das Ehepaar gewohnt?
»Gegenüber vom Krankenhaus.«
»Also hatte er es nicht weit bis nach Hause?«
»Nein. Vielleicht zehn Minuten von der Zeche. Aber er kam nicht nach Hause.«
»Wer hat Ihnen die Nachricht seines Todes überbracht?«
»Der Bergwerksdirektor holte mich. Da hatte man Vanja bereits ins Krankenhaus gebracht.«
Irgendetwas passte nicht. Knut wusste nicht genau, was es war. »Man hat ihn also an dem Haus vorbeigetragen, in dem Sie wohnten? Ist es nicht seltsam, dass …
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