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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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sind. Ein niedriger Glaskasten, vielleicht so hoch?« Sie zeigte mit der Hand auf ihre Hüfte. »Das Schloss ist aufgebrochen, und eine scharfe Kante ragt heraus.« Sie drehte sich um und sah Jekaterina an. »Ich glaube, es fehlt was in dem Kasten …«
    »Ist es …?« Jekaterina zog ihren Stuhl näher an den Tisch.
    »Ja, die Waffe ist weg. Eine kleine Schachtel Patronen auch.« Ljudmila wandte sich wieder Knut zu. »Nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen muss. Ein englischer Revolver aus dem Zweiten Weltkrieg … wahrscheinlich verrostet.«
    Knut hatte das Gefühl, dass man sich unbedingt den Kopf zerbrechen sollte, sonst hätten die beiden Frauen nicht so nervös reagiert.
    Sie aßen, nur unterbrochen von belanglosem Geplauder. Kennen Sie …? Wissen Sie, dass …? Die Russen liebten ihre Anekdoten und Geschichten. Knut überlegte, ob sie wohl abergläubisch waren – zumindest deuteten alle Sprichwörter und Geschichten darauf hin. Vielleicht nicht. Die Norweger erzählten von Trollen und unter der Erde lebenden Riesinnen, überall gab es diese Figuren als Souvenirs, Maskottchen und Symbole – auf Postkarten und Schokolade bis hin zu den großen Sportveranstaltungen. Der russische Aberglaube schien allerdings im Alltag lebendiger zu sein.
    Am gestrigen Abend hatte Oksana sich vor fast allem, was sie sah, gefürchtet. Knut durfte sein Glas nicht vollständig austrinken und auch die leere Wodkaflasche nicht wieder auf den Tisch stellen. Leider waren sie sich auf der Treppe des Hotels begegnet, das bedeutete Unglück und Trennung. Sie waren auf einem Fest mit dreizehn Personen in einem Raum gewesen. Einer der Anwesenden würde bald sterben müssen. Knut hatte gelacht und gesagt, er wüsste nicht einmal, wer gestern Abend dabei gewesen war. Sie war verängstigt, und er hatte sie aufgezogen.
    Er aß die Mahlzeit beinahe allein auf. Ljudmila und Jekaterina nahmen sich Tee, den sie mit Konfitüre süßten.
    »Oksana erzählte gestern Abend die gleichen Geschichten«, sagte Knut und nahm die letzte Scheibe Brot. »Ich sehe, dass Sie sich über die Zustände in Barentsburg Sorgen machen, aber ich glaube nicht, dass es etwas mit Messern zu tun hat, die auf den Boden fallen, oder mit Salz, das auf dem Tisch verstreut wird. Sie wissen etwas weit Konkreteres und Gefährlicheres.«
    »Darum wollen wir ja mit Ihnen reden.« Ljudmila war in ihrem Stuhl ein wenig zusammengesunken, sie wirkte erschöpft. Um ihre Schultern hatte sie sich einen russischen Schal gelegt, schwarz mit gelben und braunen Rosenmustern.
    »Jekaterina, kannst du zu den Mädchen gehen und ihnen sagen, dass für heute Abend Schluss ist? Wir wollen nicht gestört werden und schließen das Haus ab, wenn wir gehen. Sie brauchen das Nähzeug nicht wegzuräumen. Morgen Nachmittag geht es weiter.«
    Ljudmila sagte kein Wort, bevor Jekaterina zurückkam und sich an den Tisch setzte. Dann begann sie zu erzählen, ein paar Mal war ihr die andere Frau bei Übersetzungen behilflich.

KAPITEL 21 Die Morde im Wald
    »Ich wurde in Krasnodon geboren«, sagte Ljudmila und setzte sich in dem abgewetzten Sessel zurecht. »Meine Familie zog nach Lugansk, als ich fünf war. Ich erinnere mich an meine Kindheit – die großen Wälder in Donbas, schöne, grüne Höhenzüge und Ebenen, aber auch ein Land, das die Kohleindustrie verschandelt hat. Wir sind stolz auf unsere Bergbautradition in der Ukraine, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht. Ich selbst habe die Zerstörung des Landes gehasst, diesen sauren Geruch und den Kohlenstaub, der in die Häuser dringt und sich wie eine dreckige Schicht über alles legt.
    Ivan Sergejewitsch habe ich kennengelernt, als ich elf Jahre alt war. Wir gingen auf dieselbe Schule und wurden ein Paar. Er und ich, wir hatten absolut die gleichen Gedanken. Wir liebten uns mit dem Kopf und mit dem Herzen. Nichts konnte uns trennen, kein Spott und auch kein boshafter Scherz meiner Freundinnen oder seiner Kameraden. Wir gehörten zusammen.«
    Ljudmila hielt einen Augenblick inne. Knut reichte ihr den Teebecher, aber sie schüttelte den Kopf. »Nein, warten Sie … zu heiß.«
    »Wegen der Zähne«, erklärte Jekaterina. »Ljudmila hat Stahlzähne. Wenn sie kalt oder heiß werden, bekommt sie Zahnschmerzen. Ich selbst habe keine mehr.«
    Wieder wurde Knut durch die Sprache ausgesperrt. Ljudmila sagte etwas auf Russisch zu Jekaterina, die gehorsam auf den Tisch blickte und schwieg.
    Ljudmila fuhr fort. »Als Vanja achtzehn wurde, fuhr er zu den

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