In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Hände vom Gesicht und sah Knut an. »Es geht noch weiter … Sobald Vanja den Wagen wegfahren hörte, kam er angerannt. Ich auch. Wir mühten uns ab, um das Schloss von der Tür zu bekommen. Vanja gelang es schließlich … er fand einen alten Spaten und steckte den Stiel zwischen die Wand und das Schloss … Er war ein sehr starker Mann.
Das Haus brannte lichterloh, überall Rauch und Flammen, aber wir gingen dennoch hinein. Ich wünschte, wir hätten es nicht getan, denn der Anblick … In der Küche fanden wir den Mann, dem der Hof gehörte. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Seine Frau lag in der Tür zum Wohnzimmer, auch sie mit einem Messer ermordet. Überall war Blut, an den Wänden, es floss auf dem Boden. Wir rutschten darin aus, verschmierten uns die Hände und die Kleider …
Auch das Kind hatten sie nicht verschont. Der Kleine war mit seinem eigenen Kissen erstickt worden … Er lag da und sah aus, als würde er schlafen, nicht ein Messerstich … zu bestimmten Dingen sind selbst sadistische Mörder nicht fähig. Der Onkel lag auf der Treppe. Er hatte zu verhindern versucht, dass jemand in den ersten Stock kam. Sein Hals wies so viele Schnitte auf, dass der Kopf beinahe ab war. Im ersten Stock lag die Großmutter mit Genickbruch im Schlafzimmer. Das hat mir Vanja hinterher erzählt, er ist allein hinaufgegangen. Ich konnte nicht mehr, ich bekam keine Luft mehr. Ich rannte aus dem Haus und übergab mich.
Wir blieben am Waldrand sitzen, bis von den Häusern nur noch glühende Aschehaufen übrig waren. Wir hielten uns umschlungen, konnten nicht glauben, dass jemand so grausam und gleichzeitig so gleichgültig sein konnte. Aber wir waren erleichtert, dass sie uns nicht gesehen hatten. Es gab keinen Zweifel, wer es getan hatte, noch, warum dieses Verbrechen verübt worden war. Unter den Wodkalieferanten in Krasnodon gab es jetzt keine Konkurrenz mehr.
Wir brachten es nicht fertig zu gehen. Es war spät, und es begann kalt zu werden. Die Sterne am Himmel waren erschienen. Endlich standen wir auf, voller Scham und Trauer darüber, dass wir keinen Versuch unternommen hatten, die Toten aus dem brennenden Haus zu tragen. Aber wir hätten damit unser eigenes Todesurteil unterschrieben. Wir hätten es der Polizei melden müssen … doch dann hätte bald ganz Pischane gewusst, dass wir unmittelbar nach den Morden am Tatort gewesen waren. Wir konnten nichts mehr tun, außer zu verschwinden. Und als wir gehen wollten, hörten wir diese Geräusche … ein langgezogenes Stöhnen am Waldrand hinter der niedergebrannten Scheune.
Sie lag dort mit offenen Augen, die in der Dunkelheit wie Silber leuchteten … ein kleines Mädchen von fünf, sechs Jahren. Ihre Kleider trieften vor Blut. Sie musste im Haus gewesen sein, die Morde gesehen haben. Sie zitterte und japste nach Luft, die Augen waren trocken, keine Tränen … was sollten wir machen? Wenn bekannt wurde, dass sie überlebt hatte und möglicherweise wusste, wer hinter diesen Handlungen stand, wäre ihr eigenes Leben nicht mehr viel wert gewesen. Vanja trug sie den ganzen Weg aus dem Wald.
Wir wendeten den Blick ab, als wir am Kloster vorbeigingen. Als würden die Frömmigkeit innerhalb der Mauern, die hübschen Türme und die Schönheit uns mit kalter Gleichgültigkeit verhöhnen.
Noch in jener Nacht nahm Vanja das Mädchen mit zu seiner Frau, in sein Haus bei den Gruben von Zasyadka. Es vergingen viele Jahre, bis wir uns wiedersahen …«
Ljudmila schwieg eine Weile.
»Und bei dem Mädchen handelte es sich um Oksana?« Knut wusste die Antwort bereits. Trotzdem musste er fragen.
»Ja. Es war Oksana. Vanja nahm sie zu sich wie eine eigene Tochter. Ich habe den Eindruck, dass sie eine glückliche Kindheit in seiner Familie hatte. Schon bald zogen sie an einen anderen Ort in der Ukraine. Er tat alles, um die Spuren zu verwischen, damit niemand sie finden konnte.«
»Erinnert sie sich an irgendetwas von dem Abend, an dem ihre Familie ermordet wurde?«
»Nein, Gott sei Dank nicht. Wir haben mit ihr nie über die Zeit geredet, bevor sie nach Zasyadka kam. Wir haben sie in dem Glauben gelassen, dass sie in einem Kinderheim gewesen ist.«
Etwas verstand Knut nicht. Es war ihm peinlich zu fragen, aber er musste es tun. »Warum musste Vanja sie heiraten? War es nicht Schutz genug, dass sie seine Tochter war?«
Die russischen Frauen wechselten rasch einen Blick. Ljudmila nickte langsam. »Ah ja, Polizeibeamter Fjeld. So ganz neu ist Ihnen diese Geschichte
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