In meinem kleinen Land
«Nicht?»
Sie: «Beuel is jefährlisch.»
Er: «–»
Sie: «Beuel is jefährlisch. Lasset säin, Beuel is jefährlisch.»
Er: «Was denn sonst?»
Sie: «Nimm doch die ‹Braune Ente›, die is grade frei.»
Er mit wegwerfender Handbewegung: «Doch nisch die ‹Braune Ente›! Wat sollisch denn mitter ‹Braune Ente›?»
Sie: «Die is top, die ‹Braune Ente›. Da is sogarene kleine Küsche dabäi.»
Er: «Wirklisch? Aber isch will auch ’ne Terrasse.»
Sie: «Warum bis’ du so auf ’ne Terrasse kapriziert? Dat macht nur Ärjer un Arbeit. Nimm die ‹Braune Ente›, die is am besten für einen wie disch.»
Mein Gott, was würde ich jetzt dafür geben, diese «Braune Ente» zu sehen.
Ich spaziere am Bonner Hofgarten vorbei. Hier war ich schon mal. Demonstrieren. Gegen den NATO-Doppelbeschluss, Pershing zwo und Cruise Missile. Das Tolle an unserer Entrüstung war auch, dass wir ungestraft dem Schulunterricht fernbleiben konnten. An Einzelheiten der Kundgebung erinnere ich mich leider nicht. Das ist fast ein Vierteljahrhundert her.
Heute Lesung in der Aula des Clara-Schumann-Gymnasiums. Ich warte in einem vergammelten Klassenzimmer. Wenn Clara Schumann wüsste, wie runtergekommen Bildung heute ist. An der verschmuddelten Wand steht mit Edding der schöne Satz: «Schwul sein ist cool». An der Klassentür hängt ein Merkblatt zum Thema «Mülltrennung am Clara». Es wird darauf hingewiesen, dass eine Restmülltonne «13 000 DM». (der Zettel hängt also schon länger da) kostet, und darunter heißt es: «Sauber getrennt ist halb recycelt.»
Das Mülltrennungssystem am Clara funktioniert ausweislich des Merkzettels so: Jede Klasse hat drei Mülleimer. Einen braunen für Restmüll, einen gelben für Verbundstoffe (also Tetrapak, Aludeckel, Bleche, Plastikfolien) und einen blauen für Papier. Na, das ist doch wohl wirklich vorbildlich. Das kleine Problem ist nur: Alle drei Mülleimer in dieser Klasse – sind gelb.
Grevenbroich. Bei Nacht
23. November 2005
Als ich klein war, fuhren alle Autos in unserer linksrheinischen Gegend mit dem Kennzeichen «GV» herum. Das stand für «Grevenbroich». Im Zuge irgendeiner Neuordnung und womöglich, weil Nicht-Grevenbroicher die Abkürzung immer mit «Geschlechtsverkehr» assoziierten, wurden die Nummernschilder Mitte der siebziger Jahre geändert, und seitdem haben alle Autos hier Kennzeichen, die mit «NE» für «Neuss» beginnen.
In letzter Zeit ist die Stadt Grevenbroich zu einiger Prominenz gekommen, weil der Komiker Hape Kerkeling hier Videos für sehr ulkige Lieder gedreht hat. Eines trägt den Titel «Grevenbroich bei Nacht» und ist eine Coverversion von «Strangers in the night». In dem Video trägt Hape Kerkeling eine wunderschöne Verkleidung (Perücke, Zähne, Brille, Mantel) und läuft nachts als Lokaljournalist Horst Schlämmer in der sterbenslangweiligen Grevenbroicher City herum. Im Ort ist man geteilter Meinung über Kerkeling. Eine Hälfte der Bevölkerung findet das Lied lustig und fühlt sich geehrt, dass der Komiker ausgerechnet von Grevenbroich singt. Die andere Hälfte erkennt in dem Titel und vor allem in dem Video eine Provinz-Verarsche und ist beleidigt. Hübsch ist die Bemerkung einer alten Dame, die ich auf das Thema anspreche. Sie ist sehr verwundert: «Isch weiß jar nit, warum der überhaupt Gräwenbreusch genommen hat. An Gräwenbreusch ist doch gar nix besonders.»
Das stimmt! Grevenbroich macht bei einem kurzen Rundgang einen durchaus atombombensicheren Eindruck, ziemlich gut versiegelt und jede Menge überdachte Parkplätze. Übrigens spricht man das «i» in «Grevenbroich» nicht mit aus. Das ist ein Dehnungs-«i». Wie das «e» in Soest ein Dehnungs-«e» ist. Die Dame behauptet sogar, man spräche auch das «i» in Duisburg nicht mit, erst recht hieße es nicht «Düsburg», sondern «Duusburg». Aber das glaube ich ihr nicht.
In der zweiten Reihe sitzt ein Mann, der noch vor der Pause einpennt. Ich kann das gut verstehen. Wahrscheinlich ist er früh aufgestanden, hat zehn Stunden gearbeitet und musste seine Frau dann noch zu dieser Lesung begleiten. Und alles nur, weil er gerne nach Italien in den Urlaub fährt. Und da nickt er ein. Braver, müder Mann.
Man darf sich durchaus geehrt fühlen, wenn Männer in hässlichen Pullovern bei Lesungen einschlafen, sollte es sogar dankbar als Kompliment auffassen, denn man sitzt in der Oper oder im Theater oder in einer Lesung nicht sagenhaft bequem. Wenn sich jemand
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