In meinem kleinen Land
nehmen.»
Friedman: «Danke, dass Sie mir das Recht zugestehen, Ihren Fahrschein zu sehen. (kreischt) Aber es steht mir ohnehin zu! Auch ohne Ihre Erlaubnis! Verstehen Sie?»
Däubler-Gmelin: «Ja, aber nicht in diesem Ton.»
Friedman, immer wieder unterbrochen von Versuchen der Frau, das Wort zu ergreifen: «Darf ich … darf … darf ich jetzt Ihren Fahrschein sehen? (Crescendo) Ihren Fahrschein?»
Zwischen Stuttgart und Ulm sehe ich den ersten Schnee. Jetzt geht also das los! Jetzt kommt der Winter!
Andernach. Bukowski und der Bofrost-Mann
21. November 2005
Nach Andernach. Das ist eine lange Zugfahrt, was zu einer Belastung werden kann, wenn man nichts mit sich anzufangen weiß. Ich beschäftige mich immer gut. Ich sehe auf meinem Laptop Filme an, schreibe, lese oder sehe aus dem Fenster und höre Musik. Eigentlich mache ich dasselbe wie fünf Millionen Arbeitslose in diesem Land, aber mir macht deswegen niemand Vorhaltungen. Fühle mich privilegiert.
Am Wochenende habe ich mir neue Musik auf den iPod gespielt, es sind nun 2509 Stücke darauf, darunter auch ein neues von den Toten Hosen mit dem Titel «Der Bofrost-Mann». Das Lied hat einen heiteren Text, der davon handelt, wie einer nach Hause kommt und seine Frau ausgerechnet mit dem Bofrost-Mann erwischt. Der Bofrost-Mann ist für mich eine Achtziger-Jahre-Erinnerung.
Ich war Ende der Achtziger Zivi beim Mobilen Hilfsdienst und betreute alte Leute in deren Wohnungen. Gebiss ausspülen, kochen, putzen, bisschen pflegen, spazieren gehen. Mehrmals in der Woche musste ich zu einem Opa, einem Witwer, den ich schwer in Verdacht hatte, ein alter Nazi zu sein. Die gab es ja damals noch haufenweise. Trotzdem mochte ich ihn, Gott möge mir verzeihen.
Er war lustig. Er war freundlich und gebrechlich. Er war Diabetiker und durfte auch keinen Alkohol trinken. Jeden Tag gestand ihm der Arzt ein halbes Schnapsgläschen Korn zu. Die Flasche durfte nicht von ihm, nur von den Zivis aus dem Kühlschrank genommen werden. Ich gab ihm immer ein ganzes Glas und sagte mit gespielter Sorge: «Ogottogott, jetzt ist mir die Flasche ausgerutscht.» Dafür war er mir sehr dankbar. Manchmal trank ich einen mit. Wir waren ein merkwürdiges Paar: ein uralter Fascho mit Hosenträgern und zerfledderten Hausschuhen und ein wasserstoffblonder Junge mit stacheligen Haaren und kaputten Hemden. Da passte gar nichts, und ich glaube, das fand er genauso lustig wie ich.
Ich musste ihm auch das Mittagessen machen. Jeden Tag ging ich an seine Tiefkühltruhe und nahm zwei verschiedene Bofrost-Packungen heraus. Ich legte mir ein Spültuch über den Unterarm und trug die Kartons wie ein Oberkellner ins Wohnzimmer. Dann hielt ich «Rehgeschnetzeltes in Preiselbeersoße» und «Königsberger Klopse in Kapernsoße» in die Luft und ließ ihn auswählen. Er lachte mich glücklich an, dann machte ich ihm sein Essen, und nachher brachte ich ihm seinen Schnaps.
Nach einer Weile fiel mir auf, dass die Tiefkühltruhe immer mehr Zeug enthielt, das der Opa gar nicht essen durfte, geschweige denn konnte: Sahnetorten, mit scheußlichen Cremes gefüllte Blätterteig-Monster, fettiger Junkfood. Ich fragte den Opa, was er damit wolle, und er sagte: «Der Bofrost-Mann hat gesagt, es wäre gut, wenn ich was zum Anbieten für Gäste hätte.» Der Opa bekam nie Besuch, und ich hatte bestimmt keine Lust auf Schwarzwälder-Kirsch-Torte. Aber der Bofrost-Mann war nett zu ihm, und der Opa hatte vielleicht nicht viele Leute, die sich mit ihm unterhielten. Für das Gespräch mit diesem Bofrost-Kerl bezahlte er mit seiner Bestellung. Und je länger er den Burschen aufhielt, desto größer wurden diese Bestellungen. Der alte Mann hatte für mindestens zweihundert Mark Torten, Eis und Pommes eingelagert. Er hätte selber ein Geschäft damit eröffnen können.
Ich legte einen Zettel in die Tiefkühltruhe, denn ich wusste, dass der Bofrost-Mann die Sachen eigenhändig dort hineintat – wissend, dass sie keiner aß. Auf dem Zettel stand: «Bitte keine süßen Sachen mehr hineinlegen. Das isst hier keiner.» Eine Woche später war der Zettel weg, dafür war neuer Kuchen drin. Ich schrieb einen neuen Zettel: «HALLO. BITTE BRINGEN SIE KEINE SÜSSEN SACHEN MEHR!!!!» Erfolglos.
Ich wurde wütend. Ich war noch jung, aber ich nahm mir vor, diesen Frostarsch zur Rede zu stellen. Ich fragte den Opa, wann er das nächste Mal käme, und als der Bofrost-Wagen vorfuhr, war ich da. Ich sah dem Typen dabei zu, wie er die
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