In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
vollkommen recht, mein Freund, ein viel zu schöner Schrank für so eine Kammer!«
Er öffnete beide Türen des Schrankes, sodass sie durch das Licht vom Fenster her sein Inneres deutlich sehen konnten. Doch sie sahen nichts. Der Schrank war leer.
»Beim Sterz Gottes, das ist doch nicht möglich!«, begann Giovanni zu fluchen. Cunrat bekreuzigte sich rasch und dachte dabei an Karolina und Tettinger, während sein Freund die Rückseite des Schrankes abklopfte wie vorher die Wand. Ohne Ergebnis. Seine Flüche wurden heftiger, sodass Cunrat sie schließlich nicht mehr mit anhören konnte. Er schob Giovanni beiseite und beugte sich selber in den Schrank hinein, um vielleicht irgendeine geheime Tür zu finden. Da rutschte er plötzlich mit seinen Holztrippen auf dem Dielenboden nach hinten weg, schlug sich die Schienbeine am unteren Rand des Schrankes an und stieß mit dem Kopf heftig gegen das mittlere Brett der Schrankrückwand. Er schrie laut auf und versuchte verzweifelt, mit seinen Händen Halt zu finden. Dabei riss er das Brett zur Seite, und als er schließlich am Boden lag, sahen sie, dass sich hinter dem Brett eine Tür verbarg.
»Cunrat, du bist ein Genius!«, rief Giovanni aus. »Da ist die geheime Tür!«
Und während der Genius sich die Beule an der Stirn rieb, versuchte sein Freund, den Riegel der Tür beiseitezuschieben. Doch seine Mühe war vergeblich.
»Da ist ein Schloss dran! Dafür braucht man einen Schlüssel.«
»Der dritte Schlüssel!«, fiel es Cunrat ein.
»Welcher dritte Schlüssel?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass Tettinger drei Schlüssel hatte. Aber Schopper hat nur zwei am Gürtel.«
Dann erklärte er seinem Freund hastig, wie nach Tettingers Tod der Vogt Karolina gefragt hatte, wozu der dritte Schlüssel diente.
»Sie hat ausweichend geantwortet, sie wisse es nicht, vielleicht sei er für eine Truhe. Wer weiß, was sich hinter dieser Tür verbirgt. Sie wollte jedenfalls nicht, dass der Vogt davon erfährt.«
»Soso, Karolina und ihr Bruder hatten also ein Geheimnis. Wer jetzt wohl den Schlüssel hat? Vielleicht hat Schopper ihn irgendwo versteckt? Und wenn nicht er, würde ich meinen Kopf verwetten, dass das Gespenst ihn hat! Komm, hier können wir nichts mehr ausrichten, lass uns verschwinden.«
Sie rückten das Brett wieder an seinen Platz und verließen die Haue .
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 30. Januarius, im Jahre des Herrn 1414
Ich, Poggio, entbiete Dir, meinem Niccolò, einen herzlichen Gruß!
Oh, mein teurer Niccolò, dunkle Wolken dräuen über uns herein, der Himmel verfinstert sich immer mehr!
Inzwischen ist Gregors wichtigster Mann, Kardinal Dominici, höchstpersönlich eingetroffen, mit großem Gefolge ist er in die Stadt eingeritten, seinen roten Kardinalshut – verliehen vom Gegenpapst – demonstrativ auf dem Haupte, in Begleitung des Pfalzgrafen Ludwig und des Elekten von Konstantinopel. Sigismund hat ihn und die anderen Anhänger Gregors offiziell empfangen, und sie sind sogar schon vor der Konzilsversammlung aufgetreten, wo sie eine Denkschrift vorgelegt haben, in der sie den Rücktritt von Gregor ankündigen, wenn dies der Einheit der Kirche diene. Gleichzeitig forderten sie, dass unser Papst Johannes, den sie nur unter seinem bürgerlichen Namen Baldassare Cossa erwähnen, nicht nur nicht den Vorsitz der Konzilssitzungen führe, sondern in keiner Weise gegenwärtig sei. Man stelle sich eine derartige Unverschämtheit vor!
Und um das Maß vollzumachen, ist nun auch eine englische Delegation zum Konzil gekommen, unter der Leitung des Kanzlers der Universität von Oxford und Bischofs von Salisbury, Robert Hallum. Obwohl der englische König Heinrich V. bisher immer ein Anhänger von Johannes war, hat sich Hallum in seiner Antrittsrede vor der Konzilsversammlung auf die Seite der Papstgegner gestellt. Er ist ein rhetorischer Fuchs, dieser Hallum, der dem Papst Honig um das Maul schmierte, indem er von seiner bonitas et pietas virtuosa sprach, im gleichen Zug aber machte er ihn verantwortlich für das Schisma und die Missstände in der Kirche und forderte seinen Rücktritt. Dafür versprach er ihm himmlischen Lohn, als ob Johannes daran interessiert wäre!
Eine ganz andere Sache hat sich auf erstaunliche Weise geklärt: Cunrat, der Bäckergeselle, der überfallen wurde, ist kein weiteres Opfer des unbekannten Mörders geworden, sondern – man höre und staune! – einer Liebesrache. Es scheint, dass eine schwäbische Medea,
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