In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
ihn lehnte. Er drückte sie so fest an sich, dass sie leise aufschrie. Eine ganze Weile standen sie eng umschlungen, wärmten sich gegenseitig und freuten sich ihrer wieder gefundenen Zweisamkeit.
Schließlich hob Cunrat an, ihr feierlich ins Ohr zu flüstern: »Gretli, ich schwöre dir …«
Doch da drehte sie sich in seinen Armen und verschloss ihm den Mund mit einem Kuss, dann sagte sie: »Nicht schwören, es ist nicht gut, zu schwören. Sag mir einfach, ob du mir in Zukunft treu sein wirst!«
»Ja ja ja, ich schwöre nicht, aber beim Leben meiner Mutter und aller Heiligen, ich werde dir treu sein!«
Sie gab ihm einen Nasenstüber und lachte. »Jetzt hast du ja doch geschworen!«
Noch lang standen sie in ihrer Ecke und schützten sich gegenseitig vor der bitteren Kälte, bis sich endlich die Tür des Erkers im ersten Geschoss der Pfalz öffnete und der Papst in Begleitung etlicher Bischöfe auf den Balkon heraustrat. Er trug die Tiara und ein grünes Gewand. Mit behandschuhten Fingern segnete er die Menschen, die sich bei seinem Erscheinen alle hingekniet hatten.
Auch Cunrat und Gretli knieten nebeneinander auf den kalten Steinplatten des Hofes, und Cunrat flüsterte ihr zu: »Nun haben wir für unseren Bund den Segen des Papstes!«
Sie warf ihm ein Lächeln zu und lehnte sich an ihn, schaute aber schnell wieder nach vorn zum Erker.
Da begann Johannes, lange gedrehte Kerzen wahllos in die Menge zu werfen, und die Menschen erhoben sich, schrien bei jedem Wurf auf und versuchten, eines der wertvollen Stücke zu erhaschen. Der Papst war kein schlechter Werfer, er schleuderte die Kerzen in alle Richtungen, doch keine davon gelangte bis in die Ecke des Hofes. Als Cunrat Gretlis Gesicht bemerkte, das immer enttäuschter drein sah, kämpfte er sich mit seinen Ellbogen an den vor ihm Stehenden vorbei näher zum Erker. Gretli folgte ihm, und auch andere taten es ihm gleich. Nach und nach wogte die Menschenmenge wie in Wellen nach vorn und wieder zurück, nach links und nach rechts, je nachdem, wohin Johannes seine Kerzenwürfe platzierte. Immer aufgeregter wurden die Massen, immer lauter die Schreie der Gläubigen, die begierig darauf waren, eine vom Papst persönlich geweihte Kerze zu ergattern, um sie wie eine heilige Reliquie nach Hause zu tragen. Endlich gelang es Cunrat, eines der begehrten Kleinode aufzufangen, doch im gleichen Moment ertönte hinter ihm ein Schrei, der alle anderen übertönte. Durch das Drängen der Leute, die sich nach der gleichen Kerze wie er gestreckt hatten, war Gretli zu Fall gebracht worden. Sofort rückten die Menschen nach, und das Mädchen geriet unter ihre Beine. Cunrat versuchte, sich umzudrehen, er rief nach ihr – »Gretli«!« – packte sie am Arm und wollte sie hochziehen. Doch er wurde weggestoßen, die Leute sahen nicht zu Boden, nur nach oben auf die Kerze in seiner Hand und drückten und schoben wie Besessene, um danach zu greifen. Gretli versuchte indes, mit den Händen ihr Gesicht zu schützen, während trippenbewehrte Füße auf ihrem Bauch und ihren Beinen herumtrampelten. Da wurde Cunrat von Angst übermannt, er fing an zu brüllen – »Halt! Zurück! Geht zurück!« – und schlug mit der geweihten Kerze auf die Köpfe der Drängenden ein, dass sie zerbrach und nur noch vom Docht zusammengehalten wurde. Inzwischen war eine weitere Kerze bei einem Mann nicht weit von ihnen gelandet, und das war Gretlis Rettung, denn sofort wandte sich die Aufmerksamkeit der Kerzenjäger diesem zu und von Cunrat ab. So konnte er endlich das Mädchen am Arm packen und hochziehen. Sie stöhnte, und ihr Gesicht war zerschrammt. Verzweifelt krallte sie sich an seinem Mantel fest und drückte voller Panik ihren Kopf an seine Brust. Da fasste Cunrat sie energisch um die Taille und trug sie gegen den Widerstand der Menschenmenge aus dem Hof hinaus. Nach dem Tor wandte er sich nach links, wo hinter einer Krämerbude ein kleiner freier Platz war. Dort standen sie eine ganze Weile an die Mauer der Bischofsburg gelehnt, während im Münsterhof der Kampf um die Kerzen weitertobte. Gretli zitterte vor Kälte und überstandener Todesangst, sie weinte hemmungslos, während Cunrat sie mit seinem Mantel umfangen hielt und ihr mit der Wange übers Haar strich. Es dauerte lang, bis sie sich beruhigt hatte. Dann erst traute er sich zu fragen, ob sie ernsthaft verletzt worden war. Sie schüttelte den Kopf. Vermutlich würde sie erst morgen anhand der blauen Flecken und schmerzenden Beulen
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