In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
feststellen, wo der drängende Pöbel auf ihr herumgestampft war. Nur dass ihr Mantel zerrissen war, konnte man jetzt schon erkennen.
Langsam machten sie sich auf den Weg zum Hohen Haus. Als sie vor dem Portal Abschied nahmen, hielt Cunrat ihr die Kerze hin. Sie war in vier Teile zerbrochen, die traurig am Docht herabhingen. Sie sahen die Kerze an, sahen sich an und wieder die Kerze. Dann begannen beide zu lachen.
Der Sonntag nach Lichtmess war ein kalter, sonniger Tag. Während der König mit seinen Gästen im Münster die Messe besuchte, brachten die Bäcker früh am Morgen ihre Waren zum Hohen Haus. Die übrigen Venezianer zogen mit dem Karren wieder ab, Giovanni und Cunrat aber blieben im Hause der Tettikovers zurück, um in der Küche zu helfen.
Diese lag im hofseitigen Teil des Erdgeschosses hinter den Verkaufsräumen, in denen viele verschiedene Waren angeboten wurden. Tettikover war Fernhändler, und es hieß, er kaufe und verkaufe Waren aus aller Welt, sogar aus Afrika und Asia. Von der Küche aus ging man durch eine Tür in den Innenhof, gleich neben der Treppe, die sowohl in den Vorratskeller als auch in die Obergeschosse führte. Die Küche besaß einen gewaltigen Kamin, dessen Schlot meterhohe schwarze Wände hatte. Durch ihn wurde das ganze Haus geheizt. Wegen der Gluthitze trugen Köche und Helfer keine Beinkleider und keine Cotte, und auch die Mägde waren leichtgeschürzt. Giovanni schloss sofort Bekanntschaft mit einem besonders hübschen jungen Dienstmädchen, das ihm zuallererst riet, sich einiger Kleider zu entledigen. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, auch wenn er als Bäcker solche Hitze durchaus gewöhnt war. Dann half er der Magd, von einem Bord hoch oben einen Topf herabzuholen und auf den Herd zu hieven.
Über der Holzglut des offenen Kaminfeuers, aus dem rechts und links noch dicke Äste hervorlugten, brutzelten an mehreren Eisenspießen ein Wildschwein, ein Spanferkel, einige Truthähne, darunter ein besonders großer, außerdem ein halbes Dutzend Hühner, Gänse und Enten. Ein Küchenjunge war damit beschäftigt, sie ständig zu drehen.
»Legt noch einen Zahn zu, sonst wird das Wildschwein nie fertig!«
Der Küchenmeister Ulrich Holderstroh führte ein strenges Regiment, und folgsam halfen sogleich ein paar Knechte dem Jungen, den schweren Spieß um einen Zahn der geschmiedeten Metallständer nach unten zu verrücken.
Neben dem offenen Feuer gab es einen breiten gemauerten Herd mit mehreren kleinen Feuerstellen, auf denen in Grapen, den dreibeinigen Keramiktöpfen, diverses Fleisch gesotten wurde, ein großer Kupferkessel hing an einer Kette über dem Feuer, darin brodelte ein kräftiger Eintopf aus Bohnen, Erbsen, Kohl, Lauch, Fenchel und Speck, und an der seitlichen Wand befand sich sogar ein kleiner Backofen, allerdings wurde hier kein Brot gebacken, das hatten Giovanni und Cunrat mitgebracht, sondern süße Kuchen und Kleingebäck.
An den Wänden standen auf Ablageborden Keramiktöpfe, Kupferpfannen, Backformen, Waffeleisen, hölzerne Schüsseln und Platten, Messingkannen und Siebe, außerdem steckten in durchlöcherten Holzgestellen langstielige Holzlöffel, Beile, Fleisch-, Fisch- und Geflügelmesser. Mehrere Küchenmägde waren damit beschäftigt, gesottenes Fleisch oder gekochten Fisch im Mörser zu Brei zu zerstampfen. Mit vielen Gewürzen und saurem Wein vermischt, würde der Brei in Tonmodeln zu allerlei lustigem Getier gebacken oder als Galreide zubereitet werden.
Cunrat lief ob all der leckeren Essensdüfte das Wasser im Mund zusammen, doch der Küchenmeister wies ihn an, mit einigen weiteren Knechten die große Tafel im Saal des Piano Nobile herzurichten. Als er sich an der Tür nach Giovanni umsah, stand dieser bei der jungen Magd und half ihr, einen Kapaun zu füllen, wobei er immer wieder eine Handvoll von der Füllung in den Mund steckte und genüsslich hinunterschlang. Einen Moment lang blickte er über die Schulter zurück und zwinkerte Cunrat zu.
Der ging neidisch seufzend die Treppe hoch in das nächste Geschoss und betrat zum ersten Mal den Piano Nobile eines reichen Patriziers. Hier herrschte ein reges Kommen und Gehen, Knechte liefen treppauf, treppab, um hölzerne Böcke für die Tafel hochzubringen, Mägde bereiteten schon die Tischdecken vor und trugen Tafelgeschirr herbei.
Cunrat jedoch stand erst einmal da und schaute. Bereits bei Meister Ismael hatte er über die prächtige Ausstattung der Stube gestaunt, nun aber stand er in einem
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