In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
gedacht. Was erwartete man nun von ihnen?
Der König reagierte trotz seines alkoholschweren Kopfes als Erster.
»Meine Herren, lasst uns in unsere Quartiere zurückkehren. Herr Tettikover, Graf Friedrich, wir danken Euch für die Einladung und das prächtige Essen. Und Ihr, Pipo Orozai« – er sah den Hauptmann seiner Leibgarde an, der ebenfalls hinzugekommen war – »bringt Johann von Wallenrode in mein Quartier. Heute Abend noch.«
Dann wandte er sich an Hanns Hagen: »Herr Vogt, lasst die Tore schließen und die Stadt durchsuchen! Ihr kennt Euch hier besser aus als wir alle und wisst, wo sich ein solcher Schurke verbergen könnte. Ich erwarte, dass Ihr ihn so rasch wie möglich dingfest macht!«
Damit war der Vogt entlassen, was ihm gar nicht recht war, gern hätte er den Gästen und dem Gesinde noch weitere Fragen gestellt. Doch alle hatten es nun eilig, sich vom König und den Gastgebern zu verabschieden. Sie wollten zurück in die Herbergen, um ihre Landsleute über das Ereignis zu informieren und untereinander zu diskutieren, wer wohl hinter dem Anschlag steckte und welche Konsequenzen er für das Konzil haben würde. Auch Odo Colonna und Poggio Bracciolini kehrten rasch zur Bischofspfalz zurück, um ihrem Herrn, dem Papst Johannes, Bericht zu erstatten.
Nur Holderstroh und Giovanni mussten noch bleiben, weil der Vogt sich von ihnen weitere Informationen über den Flüchtigen erhoffte. Doch mehr als eine ungefähre Beschreibung konnten sie ihm nicht liefern, und auch seine Nationalität blieb ungeklärt. Seufzend verließ Hanns Hagen das Hohe Haus und machte sich an die undankbare Aufgabe, im wimmelnden Ameisenhaufen der Konzilsstadt eine einzelne mörderische Ameise zu finden.
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 3. Februar, im Jahre des Herrn 1415
Ich, Poggio, entbiete Dir, meinem Niccolò, einen herzlichen Gruß!
Du wirst nicht glauben, was heute geschehen ist! Der Burggraf von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, hat am heutigen Sonntag ein Essen gegeben für König Sigismund und einige besondere Gäste. Auch unser Herr Papst war geladen, aber er wollte nicht gehen, weil ihm die anderen Gäste, vor allem die Vertreter des englischen Königs, nicht genehm waren. So hat er als Stellvertreter den Kardinal Odo Colonna gesandt und mich als Begleitung. Stell Dir vor, auch der edle Manuel Chrysoloras war zu Gast! Leider hatte ich keine Gelegenheit, mit ihm zu reden, da er an der anderen Seite der Tafel saß. Außerdem war die eben erst in Costentz eingetroffene polnische Delegation zugegen. Das Gastmahl fand im Hause von Heinrich Tettikover statt, jenem Costentzer Patrizier, von dem ich Dir schon einmal berichtet hatte. Sein Haus ist sehr groß und prächtig ausgestattet. Auch das Essen selber befriedigte alle Gelüste des Gaumens wie auch der übrigen Sinne, gab es doch musikalische Darbietungen sowie die Darstellung biblischer Szenen durch Schauspieler. Sogar der König hat sich nach reichlichem Trunk als Musikus betätigt und auf dem Tisch getanzt. Und da geschah es: Auf dem Höhepunkt des Mahles brach plötzlich ein polnischer Ritter tot zusammen. Offenbar war er vergiftet worden. Zunächst wurde vermutet, dass der Anschlag womöglich dem König gegolten hatte, aber der Stadtvogt Hanns Hagen, der gerufen worden war, fand rasch heraus, dass wohl tatsächlich die Polen vergiftet werden sollten. Da das Gift aber in einem Gang versteckt worden war, der erst spät serviert wurde, waren die meisten Gäste schon satt, und nur der genannte Ritter wurde ein Opfer seiner Unersättlichkeit und des Meuchelmörders.
Ich hatte dir ja schon von meiner Befürchtung geschrieben, dass der Konflikt zwischen dem Deutschen Orden und den Polen auch in das Konzil hineingetragen würde, aber dass er so rasch eskalieren würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Der König ließ sofort den wichtigsten Vertreter des Deutschen Ordens beim Konzil, den Erzbischof von Riga Johann von Wallenrode, zu sich rufen. Dass ich ihn für einen Wolf im Schafspelz halte, weißt du ja bereits, und nun schien sich meine Vermutung zu bestätigen. Wallenrode hielt sich zu diesem Zeitpunkt bei Papst Johannes in der Bischofspfalz auf, wo sich die Neuigkeit vom Tode des polnischen Ritters in Windeseile herumsprach. Als die Soldaten Sigismunds hier auftauchten und Wallenrode baten, zum König zu kommen, gab Papst Johannes mir den Befehl, ihn als Schreiber und Vertreter der Kurie und gleichzeitig als Zeuge zu begleiten. So
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